Statistik normal oder gefälscht?

■ Sakuths Anwalt: Senator wußte es nicht besser / Verhandlung vor Zivilgericht

Hat Innensenator Peter Sakuth bei der Vorstellung der Kriminalstatistik für das Jahr 1990 vor einigen Wochen bewußt falsche Zahlen genannt, um einen Rückgang der Straftaten um 1,4 Prozent präsentieren zu können? Gestern versuchte das Landgericht Bremen, diese Frage zu beantworten. Innensenator Sakuth hatte eine einstweilige Verfügung gegen den innenpolitischen Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Ralf Borttscheller, beantragt, um ihm den Fälschungsvorwurf untersagen zu lassen.

Die Kriminalstatistik für das Jahr 1990 wies tatsächlich, wie Borttscheller das auch behauptet hatte, im Vergleich zu den Vorjahren eine Besonderheit auf: Die Daten von 28 Arbeitstagen der Bremer Polizei waren noch nicht im Computer gespeichert. Damit fehlten in Sakuths Statistik 6.698 Straftaten — das Kriminalitätsaufkommen eines ganzen Monats. In den Vorjahren schob die Computerabteilung im Polizeipräsidium höchstens sieben, acht oder neun Arbeitstage vor sich her. Das alles erklärte gestern vor Gericht ein von Sakuths Anwalt Volkmar Schottelius geladener Zeuge: Dietmar Greupner, der im Polizeipräsidium für die Informationssysteme und so für die Datenbasis der Statistik zuständig ist. Greupner: „Der Rückstand von 28 Tagen hätte wahrscheinlich Einfluß auf die Statistik gehabt“, sprich: den Rückgang der Kriminalität wahrscheinlich in einen Zuwachs verwandelt. Über den Prozentsatz könne man allerdings nur spekulieren.

Sakuths Anwalt Schottelius bestritt, daß der Innensenator über den 28-Tage-Rückstand im Bilde gewesen sei. Außerdem versuchte der Anwalt, seinen Mandanten mit einer kniffligen Unterscheidung aus der Affäre zu ziehen. Sakuth habe, wie es auch normalerweise üblich sei, die „Ausgangsstatistik“ der Polizei vorgestellt, und nicht eine Aufstellung der „eingegangenen Straftaten“. „Eingang“ bedeutet dabei soviel wie „Anzeige und Ermittlung“. Nach Abschluß der Ermittlungen speichert die Polizei die Fälle dann als „Ausgang“.

Der Rückstand von 28 Arbeitstagen bestand dabei nur bei der Bearbeitung der Eingänge, bei der Abspeicherung der Ausgänge war die Polizei nahezu auf dem neuesten Stand. Schottelius argumentierte also, Innensenator Sakuth habe sich guten Glaubens und einwandfrei auf die Ausgangsstatistik verlassen.

Vor dem Gerichtstermin herrschte Unklarheit darüber, ob Sakuths Antrag auf einstweilige Anordnung rechtlich überhaupt zulässig ist — Ralf Borttscheller ist immerhin Abgeordneter der Bürgerschaft und genießt damit Immunität. Richter Helmut Gass ließ den Antrag zu, weil Äußerungen Borttschellers vor der Presse nicht von seiner Immunität als Abgeordneter gedeckt seien.

Das Urteil wird am 14. Mai verkündet. och