Viele Festnahmen bei Mai-Randale

■ Nach einer friedlichen Demo durch Berlin krachte es abends in Kreuzberg/ Auseinandersetzungen bis in den Abend hinein/ Autonome mobilisierten mehr Menschen als der Deutsche Gewerkschaftsbund/ Verletzte und Sachschäden

Berlin. Im Anschluß an die »revolutionäre 1.-Mai-Demonstration« und dem nachfolgenden Fest am Lausitzer Platz kam es gestern abend in Kreuzberg zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Polizei räumte den Platz und setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Am Abend machten Polizisten besonders vom Schlagstock ausgiebig Gebrauch und verfolgten Demonstranten bis über die Kreuzberger Hinterhöfe. Anwohner halfen den Polizisten zum Teil mit Hinweisen. Bis Redaktionsschluß wurden nach Polizeiangaben 14 Polizisten verletzt und 93 Personen festgenommen. Auch der U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof wurde wegen Steinhagels gesperrt, der Betrieb der U-Bahn jedoch nicht unterbrochen. Nach der Räumung des Platzes verlagerten sich die Auseinandersetzungen in die Nebenstraßen Oranienstraße, Skalitzer und Wiener Straße. Mehrere hundert türkische und deutsche Jugendliche bewarfen Polizeiwagen mit Steinen und Molotow-Cocktails. Die nachmittägliche Demonstration nach Friedrichshain war von etwa 12.000 Menschen (Veranstalter: 20.000, Polizei: 8.000) besucht worden.

In deren Anschluß war es nach zunächst friedlichem Verlauf im Stadtbezirk Friedrichshain zu Ausschreitungen gekommen. DemonstrantInnen warfen mit Steinen und Feuerwerkskörpern, die Polizei setzte Tränengas ein. Zwei Polizeifahrzeuge gerieten nach Polizeiangaben durch Molotow-Cocktails in Brand, drei Beamte sollen verletzt worden sein.

Schon bei Vorkontrollen wurden etwa 50 Menschen festgenommen, die Reizgas, Masken und Schlagringe mit sich geführt haben sollen.

Zu den Auseinandersetzungen war es erst kurz vor 16 Uhr an der Kreuzung von Proskauer- und Rigaer Straße gekommen, als die Abschlußkundgebung bereits beendet war. Demonstranten warfen der Polizei anschließend vor, sie habe den Weg zur Frankfurter Allee versperrt, deshalb sei es zu dem Scharmützel gekommen. Im Verlauf der Demonstration hielt sich die Polizei erkennbar zurück. Lediglich in Friedrichshain standen die Beamten an den Kreuzungen, um den Weg zur Mainzer Straße zu versperren. Stadtweit setzte die Polizei nach eigenen Angaben 3.500 Beamte ein.

Die Demonstration wandte sich unter anderem gegen den Regierungssitz Berlin und gegen die Unterdrückung der Kurden. Auch selbstkritische Töne waren zu hören. Auf viele Fragen habe man zur Zeit »keine Antwort«, bekannte ein Redner, der sich auch »gegen machistische Militanz-Potenz« wandte.

Zu internen Streitigkeiten kam es wegen zwei Transparenten, die Josef Stalin zeigten. Die Reifen des Lautsprecherwagens einer maoistischen Gruppe, die auf ein Bild des sowjetischen Diktators nicht verzichten wollte, wurden deshalb zerstochen, DemonstrationsteilnehmerInnen nahmen das Transparent ab. Eine türkische maoistische Gruppe hielt entgegen der Absprachen ihr Transparent — das Marx, Engels, Lenin und Stalin zeigte — bis zum Ende der Demonstration hoch. Da sie inmitten des Ausländerblocks liefen, so hieß es, wollte man dort nicht für Unruhe sorgen.

Beobachter befürchteten für die Nacht weitere gewaltsame Auseinandersetzungen. Bereits in der Nacht auf den 1. Mai nahm die Polizei zwei minderjährige Türken fest, die in der Oranienstraße Depots mit Pflastersteinen angelegt hatten. Das Fest am Lausitzer Platz verlief zunächst friedlich, Imbiß- und Kinderstände sorgten für Unterhaltung. Mehrere tausend Menschen schlenderten über den Platz, vier Bands sorgten für musikalische Untermalung. Der Senat verurteilte die »brutalen Auseinandersetzungen aus schärfste«. Sie hätten »viel mit großer Unreife und sehr wenig mit sozialer Betroffenheit zu tun«, erklärte Senatssprecher Dieter Flämig. hmt/maz