Tour d'Europe

■ Uneinige Zwölf

Die von den Regierungen in Paris und Bonn gewünschte gemeinsame europäische Verteidigungspolitik stößt innerhalb der EG weiter auf Widerstand. Großbritannien, die Niederlande und Portugal weigern sich, die Europäische Gemeinschaft oder die Westeuropäische Verteidigungsunion (WEU) mit Kompetenzen auszustatten, die auf Kosten der Nato gehen könnten.

Den USA kommt diese Blockadehaltung sehr entgegen: Ihre Regierung will verhindern, daß die Europäer sich in der WEU auf Positionen einigen, die dann in der Nato nicht mehr zur Diskussion stünden. Aber auch die Republik Irland — das einzige EG- Mitglied, das offiziell „neutral“ ist — begrüßt die Ablehnung einer gemeinsamen EG-Militärpolitik. Nichtsdestotrotz wollen die Urheber der Idee eines künftigen europäischen Militärblocks nicht lockerlassen. Der französische Außenminister Dumas hat sich jetzt erst einmal in die schwammige Formulierung von der „künftigen europäischen Identität in sicherheitspolitischen Fragen“ geflüchtet, und sein Kollege Genscher fachsimpelt von der „Vision einer gemeinsamen Verteidigungspolitik“.

Uneinig waren die Außenminister der zwölf Mitgliedsländer auch bei der Besetzung des Vorsitzes einer zentralen EG-Institution, der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ). Um das Patt zwischen dem belgischen und dem britischen Kandidaten zu überwinden, wurde beschlossen, das Los entscheiden zu lassen. Der Zufall bestimmte den belgischen Diplomaten, Pierre Champenoy, der zunächst von Juli an das Sekretariat der EPZ leiten wird. Nach zwei Jahren, zur Hälfte der Amtszeit, wird sein britischer Konkurrent Brian Crowe die Nachfolge antreten.

Der Run auf die EG-Mitgliedschaft im Norden Europas hält an. Gleich bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms erklärte der frischgebackene finnische Ministerpräsident, Esko Aho, seine Regierung erwäge ein Beitrittsgesuch zur EG. Finnland ist damit nach Schweden und Norwegen das dritte skandinavische Land, das seine strikt ablehnende Haltung gegenüber einer EG-Mitgliedschaft seit 1990 aufgegeben hat.

Zwei Monate vor Ablauf einer neuerlichen Frist stecken die Verhandlungen über den vielbeschworenen Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) immer noch in der Sackgasse. Gemäß der ursprünglichen Idee sollte der EWR als Alternative zur EG-Mitgliedschaft den Mitgliedern der Europäischen Freihandelszone Efta (Finnland, Norwegen, Schweden, Island, Österreich, die Schweiz und Liechtenstein) vollen Zugang zum europäischen Markt verschaffen. Die Bedingungen dieser begrenzten Zusammenarbeit sind aber noch völlig unklar. Als größte Probleme bei den seit Monaten ohne sichtbare Erfolge laufenden Gesprächen bezeichnet der EG-Unterhändler Horst Krenzler die Schaffung einer gemeinsamen gerichtlichen Institution, die Teilbefreiung der Efta-Länder von der für die EG vorgesehenen gemeinsamen Politik und die Vereinheitlichung der Fischerei- und Verkehrspolitik, besonders des Alpentransits. Die Euro-Grünen beobachten bei den EWR- Verhandlungen die Entwicklung eines Europas der Händler zwischen EG und Efta, bei dem die teilweise fortschrittlichere Umwelt- und Sozialpolitik der Efta- Länder über Bord gehe. dora