: Juan Carlos und die Demokratisierung
Nach dem Tod Francos 1975 stand König Juan Carlos in kritischen Situationen zur Demokratie ■ Aus Madrid Antje Bauer
Zehn Jahre ist es her, seit an einem 23. Februar Oberstleutnant Tejero mit gezückter Pistole und einer Reihe gleichgesinnter Mannen das spanische Parlament stürmte. Mit Schüssen in die Luft versetzten die Putschisten die Abgeordneten in helle Angst. Daß die aufkeimende spanische Demokratie nicht am Boden liegen bleiben mußte, ist weniger den Abgeordneten zu verdanken, als einem, auf den nur wenige in Spanien zu hoffen wagten: König Juan Carlos I. verhinderte mit seiner Fernsehrede und seinem Einfluß auf die Armee den Erfolg des Putsches. Kurz nach ein Uhr nachts nämlich verlas der König eine Erklärung, in der er die Versuche, den Demokratisierungsprozeß Spaniens zu unterbrechen, hart kritisierte. Wenige Stunden darauf gaben die Putschisten auf. Das nachfrankistische Spanien hatte seine schwerste innenpolitische Zerreißprobe überstanden, und der König erfreut sich seither bleibender Beliebtheit.
Das war nicht immer so. 1969 erklärte der alternde Franco den Prinzen Juan Carlos zu seinem Nachfolger. Das setzte eine sehr eigenwilligen Verfassungskonstruktion voraus, die direkt auf Juan Carlos zugeschnitten war. Der Nachfolger des Caudillo sollte nicht selber Caudillo sein, sondern ein König, aber auch nicht der König, der nach den Dynastieregeln als König dran wäre.
Juan Carlos war zwar im römischen Exil geboren, jedoch seit seinem elften Lebensjahr von frankistischen Hofschranzen in Spanien erzogen worden. Mit seiner Verfassungskonstruktion umging der Caudillo den eigentlichen Thronanwärter, Juan Carlos' Vater Juan, der seiner liberalen Ideen wegen von der illegalen linken Opposition als das geringere Übel angesehen wurde. Daß dies Franco nicht geheuer war, ist leicht verständlich.
Juan Carlos achtete darauf, sich während seiner Wartezeit nicht durch übertrieben kritische Äußerungen bei seinem Gönner unbeliebt zu machen. Dementsprechend negativ reagierte die illegale demokratische Opposition, als er nach dem Tode des Diktators im November 1975 den Thron erklomm. „Für uns war die Monarchie das Bikarbonat der Diktatur, das dazu dienen sollte, deren Horrortaten zu verdauen“, kommentiert Pablo Castellano, damals Führungsmitglied der sozialistischen Partei PSOE und heute im Vorstand der Linksunion Izquierda Unida, gegenüber der taz.
Sowohl Sozialisten als auch Kommunisten begriffen sich als republikanisch, und daß nach dem Tod des Diktators ein Mitglied der verhaßten Bourbonen, die 1931 ins Exil gestreikt worden waren, neuer Regent werden sollte, kam die Verlierer des Bürgerkriegs hart an. Die kommunistische und sozialistische Linke nährte Hoffnungen auf einen „demokratischen Bruch“ nach dem Tod des Diktators, der einen Übergang zur Republik mit sich bringen würde. Noch im März 1976, vier Monate nach Juan Carlos' Thronbesteigung, forderte die in der „Platajunta“ organisierte illegale Opposition eine Volksbefragung zur Staatsform.
Doch Juan Carlos enttäuschte die in ihn gesteckten Befürchtungen positiv. Kaum auf den Thron gelangt, förderte er die Durchführung von vorsichtigen Reformen und Politiker, die, so wie er selbst, eine Generation jünger waren als das bisherige Führungspersonal.
Immer noch lastete die Erinnerung an den Bürgerkrieg 1936 bis 1939 auf der innenpolitischen Diskussion in Spanien. Die Erfahrung vieler Menschen, die auf der republikanischen Seite gekämpft und die Rache der Sieger zu spüren bekommen hatten einerseits und die festgefahrene Siegermentalität der Rechten andererseits, hatte tiefe Gräben geschaffen. Eine neue spanische Demokratie aufzubauen, konnte nur gelingen, wenn die Kämpfe der Vergangenheit den Neuaufbau nicht allzu sehr belasteten. Einerseits hatten die Kommunisten aus der Illegalität heraus versucht, die „Versöhnung“ der Gesellschaft zu propagieren. Auch die Arbeiterbewegung, die kommunistischen Comisiones Obreras und die sozialistische Gewerkschaft UGT, handelten in dieser Richtung. Auch die junge, in Bad Godesberg ausgebildete Crew der Sozialisten unter Felipe Gonzalez war für die Versöhnung.
Der König war es, der aus dem Regime heraus der Opposition entgegenkam. Das ein Jahr nach Francos Tod verabschiedete Gesetz zur Vereinigungsfreiheit bahnte der Zulassung politischer Parteien den Weg. Die Amnestie ermöglichte die Entlassung politischer Gefangener. Und ein Referendum über die Demokratisierung zeigte der Opposition, daß die neuen Machthaber es mit der „apertura“, der Öffnung, ernst meinten. Im März 1977 wurden die illegalen Gewerkschaften wieder zugelassen und 1978 eine neue Verfassung verabschiedet, die durch eine Volksabstimmung bestätigt wurde. Mit der Legalisierung der kommunistischen Partei 1977 mußten die Anhänger Francos die größte Kröte schlucken, und das führte auch zu einigem Widerstand. Eine Resolution des Obersten Heeresrats war da eine Warnung, sie blieb zunächst aber folgenlos. Ausschlaggebend war aber, daß der König nicht nur oberster militärischer Befehlshaber war, sondern auch der von Franco eingesetzte Nachfolger war. Für die Militärs besaß er allein eine allen anderen Polikern fehlende Legitimität. Diese Rolle war ausschlaggebend, als Juan Carlos die aufstandswilligen Panzerdivision von Brunete davon abbrachte, auf Madrid zu marschieren und den starken Mann des Staatsstreichs, Milans del Bosch, der in Valencia bereits den Ausnahmezustand hatte ausrufen lassen, zum Rückzug veranlaßte. „Wenn am 23. Februar nicht der König im Palast gewesen wäre, sondern ein Präsident der Republik, wäre das demokratische System verschwunden“, äußerte Jahre später der damalige Kommunistische Parteichef Santiago Carrillo.
Nicht für alle war der Übergang überzeugend. Für manche wurde der Bruch mit dem alten System nicht radikal genug vollzogen, zu vieles an alten Strukturen wurde konserviert. Doch die Möglichkeit, in einem Zusammenspiel von Macht und Opposition den Übergang von der Diktatur hin zu einer Demokratie zu bewerkstelligen, hat vor allem in Osteuropa später fasziniert.
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