Freisprüche in Kopenhagen

■ Bei „Terroristenprozeß“ konnte keine Schuld an Entführung und Mord nachgewiesen werden/ Banküberfälle für PFLP

Kopenhagen (taz) — Im dänischen „Terroristenprozeß“ haben die Geschworenen am Dienstag die sechs Angeklagten in den wesentlichen Anklagepunkten als „nicht schuldig“ freigesprochen. Weder gab es einen Schuldspruch für die versuchte Entführung des schwedischen Millionärssohns („Tetra-Pak“) Jörn Rausing noch für die Ermordung eines Polizeibeamten beim Überfall auf ein Kopenhagener Postamt. Mit Freiheitsstrafen — das Gericht muß das Strafmaß noch festlegen — müssen die angeklagten Männer dennoch rechnen, aber wegen relativ geringerer Straftaten: Bankräuberei, Urkundenfälschung, Tätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst.

Nach einer Prozeßdauer von acht Monaten berieten die Geschworenen viereinhalb Tage lang — eine Rekordzeit in der dänischen Rechtsgeschichte — über das „schuldig“ oder „nicht schuldig“ zu den insgesamt 77 Anklagepunkten. Die Angeklagten, die ihr Tun nicht als Kriminalität, sondern als „untraditionelle Form der Entwicklungshilfe“ verstanden wissen wollten, hatten bei mindestens vier Raubüberfällen zwischen 1983 und 1988 30 Millionen Kronen (knapp acht Millionen DM) erbeutet und dieses Geld bis auf die letzte Öre der palästinensischen Befreiungsfront PFLP zukommen lassen. Alle Aktionen waren so sorgfältig durchgeführt, daß die dänische Polizei jahrelang im Dunkeln tappte und den modernen Robin Hoods nur duch Zufall auf die Spur gekommen war.

Daß von der Anklage der Staatsanwaltschaft, die auf lebenslange Haft für alle zielte, am Ende nicht viel übriggeblieben war, verdanken die Angeklagten zu einem guten Teil ihrer eigenen Prozeßführung. Zugegeben wurden nur Taten, für die es knallharte Beweise gab. Mit der Anklage auf gemeinschaftlichen Mord an einem Polizeibeamten im Jahre 1985 kam der Staatsanwalt nicht zum Zuge: Die Angeklagten, die den Raub gestanden, behaupteten unwiderlegbar, daß sie zwar eine Schußwaffe mitführten, sich aber von vornherein auf Warnschüsse festgelegt hätten. So konnte das Gericht weder einen Täter feststellen noch den Willen für eine gemeinschaftliche Tat. Auch die Möglichkeit des „großen Unbekannten“ aus der PFLP — diese soll an den meisten Planungen von Anfang an beteiligt gewesen sein — konnte nicht widerlegt werden. Dem Vorwurf der versuchten Entführung von Rausing schließlich — dieser Coup sollte 25 Millionen Kronen bringen — konnten die Angeklagten entgehen. Sie behaupteten, sie hätten die Tat im letzten Augenblick wegen moralischer Skrupel aufgegeben, und nicht etwa, weil sie feststellen mußten, daß Rausing wider Erwarten nicht allein zu Hause war, was nicht in ihren Plan gepaßt hätte — so die Konstruktion der Staatsanwaltschaft, der das Gericht nicht folgen wollte. Es sei ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gewesen, so die Geschworenen, der weder nach dänischem noch schwedischem — der geplante Tatort lag in Schweden — Recht strafbar sei. Reinhard Wolff