Plebeszit zur Abtreibung in Polen?

Die Auseinandersetzung wird den Wahlkampf polarisieren/ Verfassungsrang für Katholizismus?  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Der Streit um die Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung in Polen droht immer mehr zum Hauptwahlkampfthema der für den Herbst geplanten Parlamentswahlen zu werden. Ein vom polnischen Senat initiierter Gesetzesentwurf, der in Kürze vom Sejm behandelt werden wird, sieht Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren für jeden vor, der eine Abtreibung vornimmt. Indikationen sind darin nicht vorgesehen, Straffreiheit gibt es danach nur, wenn der Tod eines Fötus unbeabsichtigte Folge beim Versuch ist, das Leben der Mutter zu retten. Der Gesetzesentwurf des Senats wurde erst vor kurzem vom zuständigen Ausschuß des Sejm ohne Veränderungen an das Plenum überwiesen.

Eine Gruppe von 15 Abgeordneten verschiedener politischer Richtungen hat nun einen Gesetzentwurf für ein Referendum zu dieser Frage vorgelegt. Demnach sollen alle erwachsenen BürgerInnen Polens auf fünf Fragen antworten, in denen abgestufte Beschränkungen für Abtreibungen enthalten sind. Damit, so Jacek Kuron, der das Projekt vorstellte, solle die Abstimmung über das Gesetz nicht verzögert werden, sondern nur verhindert werden, daß ein neues Abtreibungsgesetz in der Bevölkerung als aufgezwungen empfunden werde. Meinungsumfragen zufolge ist eine Mehrheit der Polen sowohl gegen die bisherige liberale Abtreibungspraxis als auch gegen die vom Senat vorgeschlagenen drastischen Verschärfungen.

Bei den verschiedenen Lebensschützerinitiativen, die überwiegend von kirchennahen Kreisen organisiert wurden, ist der Vorschlag, ein Referendum durchzuführen auf heftige Ablehnung gestoßen. Er sei „Ausdruck des Nihilismus“, heißt es in einer Erklärung von über einem Dutzend Initiativen, die sich am Wochenende in der Stanislaw Kostka- Kirche in Warschau trafen. „Es gibt Werte, die weder gesellschaftlicher Diskussion noch einer Abstimmung unterliegen dürfen“, heißt es weiter, „daher wäre ein Referendum über das Recht auf Leben ein Schlag gegen ein gerechtes und unabhängiges Polen, unchristlich, antipolnisch und unmenschlich.“

Heftige Kritik übten die Initiativen auch an den polnischen Massenmedien, die „gegen das Recht auf Leben polemisieren“. Die Haltung zur Abtreibung müsse bei den kommenden Wahlen entscheidendes Kriterium bei der Auswahl von Abgeordneten und der Stimmabgabe sein. Unterdessen laufen die Vorbereitungen für den Besuch des Papstes im Juni auf Hochtouren. Bis dahin soll auch das neue Abtreibungsgesetz verabschiedet sein. Darüberhinaus möchte Polens Kirche auch die christliche Weltanschauung in die künftige Verfassung aufgenommen haben, die Trennung von Kirche und Staat soll dann aufgehoben werden.