UN-Polizisten in den Nordirak?

London kritisiert Zurückhaltung der UNO/ Türkei, Iran und Syrien erwägen angeblich Aufstellung von Verbänden, um westliche Truppen im Irak zu ersetzen / Keine Lockerung der Wirtschaftssanktionen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates haben Anfang der Woche über die Entsendung einer UN-Polizeitruppe zum Schutz der kurdischen Flüchtlinge im Nordirak beraten. Ein entsprechender Vorschlag Großbritanniens wurde von den Außenministern der zwölf EG-Staaten gebilligt. Der Vorschlag, die im Norden Iraks zur Errichtung und Sicherung kurdischer Flüchtlingslager eingesetzten Streitkräfte westlicher Staaten durch eine UNO-Polizeitruppe zu ersetzen, erhält nun innerhalb der Vereinten Nationen zunehmende Unterstützung.

Über den Zeitpunkt für eine Entsendung von UNO-Polizisten gibt es jedoch bislang ebenso unterschiedliche Auffassungen, wie über die von Bagdad zu erfüllenden Bedingungen für einen völligen Abzug der inzwischen rund 9.000 US-amerikanischen, britischen und französischen Soldaten aus dem Norden des Irak. Das Mißtrauen etlicher Staaten gegenüber Saddam Hussein wurde auch in der Entscheidung des Sanktionsausschusses des UN-Sicherheitsrates deutlich, eingefrorene irakische Auslandsguthaben in Höhe von einer Milliarde US-Dollar zunächst nicht freizugeben.

In einem am Dienstag an UN-Generalsekretär Perez de Cuellar übermittelten Schreiben kritisierte der britische Premierminister Major die bisherige Zurückhaltung der UNO und drang erneut auf die baldige Entsendung von UNO-Polizisten. Hinter diesem Drängen Londons steht offensichtlich die Einschätzung, daß es mittelfristig nicht zu international garantierten Vereinbarungen zwischen den kurdischen Organisationen und Bagdad kommen wird, auf Grund derer die Kurden dann die Flüchtlingslager verlassen und in ihre Wohngebiete zurückkehren könnten. Damit — so die Sorge Majors — würde die Präsenz britischer, französischer und US-amerikanischer Truppen im Nordirak zum Dauerzustand. Die britische Regierung hatte sich jedoch bei Entsendung ihrer Soldaten in den Nordirak öffentlich darauf festgelegt, daß sie in spätestens zwei Monaten wieder abgezogen werden.

Unter Verweis auf die im Jahre 1964 ohne einen Beschluß des Sicherheitsrates erfolgte Entsendung von UNO-Polizisten nach Zypern argumentiert die britische Regierung, daß eine entsprechende Anordnung von Generalsekretär Perez de Cuellar auch für den Einsatz im Nordirak ausreiche. Diese Ansicht wird von UN-Diplomaten der USA, Frankreichs und anderer westlicher Staten geteilt. Die ersten Reaktionen der beiden anderen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, China und UdSSR, waren zumindest nicht ablehnend.

Westliche Diplomaten sehen „kein Problem“ in etwaigen Einwänden Iraks gegen die Entsendung von UNO-Polizisten. Die Regierung in Bagdad habe auch in der Vergangenheit mehrfach ihre Haltung geändert, zum Beispiel als es um die Einrichtung von Sicherheitszonen für die kurdischen Flüchtlinge ging.

Der Handlungsdruck auf die UNO und ihren Generalsekretär wird auch durch Überlegungen des türkischen und des iranischen Staatspräsidenten verstärkt, zusammen mit Syrien gemeinsame Militär-Verbände aufzustellen, die die Streitkräfte der drei westlichen Staaten im Nordirak ersetzen sollen. Nach Beratungen der beiden Staatspräsidenten am Dienstag in Ankara berichtete ein enger Berater Özals gegenüber der französischen Nachrichtenagentur 'afp‘ von entsprechenden Überlegungen. Özal sprach, wie zuvor bereits Rafsandschani, zunächst nur in allgemeiner Form von „gemeinsamen Strategien“ und der beabsichtigten „Koordination“ der Aktivitäten beider Länder um eine „dauerhaften Lösung des Flüchtlingsproblems“ zu erreichen. Für Mittwochabend war eine gemeinsame Pressekonferenz Özal und Rafsandschanis angesetzt.

Özal äußerte am Dienstag zugleich die Einschätzung, die westlichen Staaten unter Führung der USA beabsichtigten, ihre Streitkräfte noch für geraume Zeit im Nordirak zu belassen: bis zur Einführung der Demokratie im Lande und der Gewährleistung der Sicherheit für zurückkehrende kurdische und schiitische Flüchtlinge. Vor allem von Bagdader Zugeständnissen in der Kurdenfrage — möglicherweise von einer ausdrücklichen Zustimmung zur Entsendung von UNO-Polizisten — machen die USA und andere Mitglieder des Sicherheitsrates die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen gegen den Irak abhängig. Deswegen wurde Bagdads Wunsch nach Freigabe eingefrorener Auslandsguthaben in den USA, der Schweiz, Großbritannien und Japan in Höhe von einer Milliarde US-Dollar im Sanktionsausschuß des Sicherheitsrates zunächst nicht einstimmig unterstützt. Für Entscheidungen dieses Gremiums ist Konsens vorgeschrieben. Der Irak hatte angegeben, mit dem Geld Nahrungsmittel kaufen zu wollen. Bereits vor zwei Wochen hatte der Irak beim Sanktionsausschuß vergeblich um die Erlaubnis zum Verkauf von Erdöl im Wert von knapp einer Milliarde US-Dollar nachgesucht. Der Sprecher des Weißen Hauses, Fitzwater, erklärte am Dienstagabend, Bagdads Wünsche nach Lockerung der Wirtschaftssanktionen stießen auf „eine Menge Skepsis“. Die USA hätten wenig Vertrauen in Versicherungen, Irak werde die Gelder nur für friedliche Zwecke ausgeben. Fitzwater zitierte Präsident Bush mit den Worten: „Wir werden solange keinen normalen Handel mit dem Irak treiben, wie Saddam Hussein im Amt ist.“ Am morgigen Freitag will der Sanktionsausschuß die beiden irakischen Anliegen erneut diskutieren.