„Ich hab' solche Sehnsucht nach meiner Scholle...“

■ Von den Hoffnungen eines Exil-Pinguins im Berliner Zoo auf baldige Rückkehr in die kalte Heimat

Erst konnte ich es gar nicht glauben! Sie lassen unser Land in Ruhe! Zumindest hören sie auf mit dem Wahnwitz, Türme ins dicke Eis zu bohren. O.K., ganz los werden wir sie nicht, aber mit den Wissenschaftlern kann man notfalls leben. Sind die Menschen vielleicht doch vernünftiger, als wir Pinguine dachten? Schon zehn Jahre bin ich im Exil, habe gehofft und gewartet, in der Zwischenzeit zusammen mit meinem Mann zwei Kinder ausgebrütet (ja, bei Pinguinen ist das Teamwork), und viel um unsere Heimat getrauert! Hier, wo es nicht so schön kalt ist, wo ich vom Regen in die Traufe kam: überall Menschen!!! Da kann mich Frau Kaiser-Pinguin von nebenan auch nicht trösten. Was ist das schon gegen unsere Sessions im Eis, wo wir Adélie-Pinguine zu Zehntausenden rumhüpfen, kreischen und dann Unterwasserrennen veranstalten: Wir sind nämlich die, die unter Wasser fliegen können. Und wir sind die, die in den Eisstürmen zusammenhalten, wie das Menschen offenbar nicht können.

Als die ersten vor gerade mal 200 Jahren kamen, haben sie über uns gelacht — vielleicht, weil wir ihnen so ähneln mit unserem schwarz-weißen Frack. Ein Dichter namens Ringelnatz hat einmal geschrieben (ja, wenn ich schon in der Ersten Welt bin, will ich mich bilden!): „Auch die Pinguine ratschen, tratschen, tuscheln, kuscheln — herdenweise, grüppchenweise.“ Menschlich, allzumenschlich — zu sehr haben wir ihnen vertraut und kamen auf sie zu. Die ersten Menschen wie dieser englische James Cook hauten aber ganz schnell wieder ab — „kein Benefiz für die Schatullen Ihrer Majestät“, sagte er seiner Königin — oder sie erfroren. Darüber haben wir nicht gelacht. Dann kamen sie in immer größeren Gruppen und behaupteten, es sei ihr Land, sie hätten uns entdeckt! Die Deutschen haben uns abgeschlachtet und mit unseren Bälgern ihre Schiffe beheizt, die Nazis warfen Hakenkreuzflaggen ab, die Amerikaner kamen mit Flugzeugen, so als ob sie uns militärisch erobern wollten — wir dachten schon, das sei das Ende. Die Russen waren ja auch nicht weit. Das nannten sie dann „Kalter Krieg“.

Vor zehn Jahren bin ich dann gegangen, weil ich all diese Wissenschaftler nicht mehr ertrug, die uns ständig auflauerten und an uns rumfummelten. Die Franzosen sprengten uns gar in die Luft, um eine Flugzeug-Landebahn zu bauen. Die Kolonien der Menschen stinken und man stolpert immer mehr über ihren Abfall. Mein Wams war schon ganz schmutzig. Und dann erst diese unerträglichen Touristen! Sie kommen in ihren roten Jacken in unsere Kolonien hineingestapft und wollen uns streicheln, als seien wir die mit dem Knopf im Ohr!

Als der Wärter — eigentlich meint der Mann es ja ganz gut mit uns — mir heute die freudige Nachricht mitteilte, nahm ich erstmal ein Bad mit meinen Kindern. Vielleicht können wir ja bald zurück?! Ich hab' so Sehnsucht nach meiner Scholle...