: Malen um des Beißens willen
■ Anne E. Wudkiewicz im Goethe-Institut
Anna Eleonora Wudkiewicz ist Malerin. Jedoch philosophiert sie nicht und stellt auch keine wahrnehmungspsychologischen Versuchsreihen auf. Stattdessen nimmt sie sich ein Motiv und malt es ab. Dabei folgt sie nicht seinen Vorgaben, sondern nur sich selbst.
Meistens allerdings sind ihre Motive erfunden und werden auf den Leinwänden zu zeichenhaften, poetischen Metaphern mit Titeln wie »Das Unwiederbringliche«, »Eindrücke« oder »Wem die Wellen fehlen«. Von den gestalterischen Prinzipien der textilen Arbeiten des Orients läßt sie sich dabei leiten, von deren Flächigkeit und Schmuckempfinden, ohne jedoch nur einmal ins Gefällig-Ornamentale abzugleiten. Wudkiewizcs Formen sind meist eckig und flach, das gängige optische Ordnungsprinzip, die Perspektive, hat sie weitgehend vermieden, und sie betont im Bild das rein Malerische an sich. Sie reduziert, aber vereinfacht nicht. Ihre zunächst stereotyp anmutendenden Profilköpfe beispielsweise, die zunächst nur auf sich selbst zu verweisen scheinen, hat sie mit wenigen Kunstgriffen differenziert psychologiesierend aufgeladen.
Was sich in diesen Bildern abspielt, kann man kaum beschreiben, das muß man gesehen haben: Wudkiewicz verstreicht die ölig-glänzende Farbpaste derart appetitlich, daß sich der Betrachter im Nachfahren der Pinselspuren verlieren kann, selber drin rumwühlen möchte — oder einfach reinbeißen, je nach Stärke der oralen Fixation. Und leuchten läßt Wudkiewicz die Farben! Nicht poppig grell und plakativ sondern von innen heraus scheinend erschließt sich die Farbigkeit der Bilder dem Betrachter erst nach und nach. Aus den wie geschlossene Flächen anmutenden Partien brechen bei genauem Hinsehen mehr und mehr Farbfunken hervor, die, je versteckter sie zuvor waren, nun umso kräftiger strahlen und den Gemälden den Charakter von Schmuck verleihen. Dieser formale Reichtum aber verhindert nicht die Betrachtung eines Bildes als Ganzes. Immer besteht eines aus mehr als nur der Summe seiner Einzelteile und präsentiert sich als fein austariertes Gleichgewicht formaler und inhaltlicher Spannungen.
Neben den sechs Gemälden stellt Wudkiewicz noch eine Reihe von Arbeiten auf Zeitungspapier aus, die, wie auch die Leinwände, erst kürzlich entstanden sind. Die Blätter schließen sich durch die farblich einander ähnelnden Hintergründe zu einer Serie zusammen. Die trägt keinen geringeren Titel als »So ist es I-V«. In dieser Reihe tritt die Zeichenhaftigkeit der Arbeiten Wudkiewiczs noch deutlicher herv or. Die einfachen Umrisse von Frauen verschiedenen Alters gehen hier eine direkte Verbindung mit dem Bildträger, dem Zeitungspapier, ein und erschließen zusammen mit den noch sichtbaren Texten und (Heirats!-) Anzeigen neue Sinnschichten.
Zu sehen ist diese leider nur provisorisch präsentierte Ausstellung im ersten Stock des Goethe-Instituts, Hardenbergstr. 7, 1-12, bis zum 17.5.; Mo-Fr 10-18 Uhr. Ulrich Clewing
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