Ost-Regionalzeitungen sind wieder im Angebot

■ Unzufriedenheit mit den Entscheidungen der Treuhand bei Interessenten und der SPD/ Treuhand bleibt beim Konzept: Jedem Verlag nur eine Zeitung

Berlin. Die Entscheidungen der Treuhandanstalt über den Verkauf der auflagenstarken und außerordentlich begehrten ostdeutschen Regionalzeitungen haben erneut Streit entfacht. Neue Beratungen sind notwendig geworden. Heute wird sich der Verwaltungsrat mit dem Sachstand vertraut machen.

Es war die bislang weitreichendste Entscheidung der Treuhand, zehn ehemalige SED-Bezirkszeitungen für 850 Millionen Mark zum Kauf anzubieten. Die Blätter gehörten zum Tafelsilber der Berliner Anstalt, und den Eingeweihten war von vornherein klar, daß es nicht bei dem vor zehn Tagen verkündeten Urteilsspruch bleiben wird. Anlaß zur erneuten Verhandlung mit den ausgewählten Bewerbern sind der Ausstieg eines der Bewerber, Unzufriedenheit eines anderen mit der getroffenen Lösung sowie der Widerspruch der SPD.

Neu verhandelt werden muß über den Neubrandenburger 'Nordkurier‘, nachdem Verleger Dirk Ippen ('Münchner Merkur‘) erklärte, die Investitionen bei dem Blatt seien ihm zu hoch. Wer soll jetzt den Zuschlag erhalten? Die Pressestelle der Treuhand erklärte dazu: „Die neue Entscheidung muß in das Gesamtkonzept passen.“ Das bedeutet, daß man bei der Linie bleibt, jedem Verlag nur eine Zeitung zuzuschlagen.

Eine Entscheidung von höchster Brisanz war die, die die Treuhand im Fall der 'Sächsischen Zeitung‘ in Dresden traf. Dort hatte sich Gruner+Jahr bereits massiv engagiert und daher hochgradig interessiert. Nachdem der Springer-Verlag (Berlin/Hamburg) sein Gebot nach Intervention des Kartellamts wieder zurückzog, erhielt Gruner+Jahr 51 Prozent der Anteile. Die 'Rheinische Post‘ (Düsseldorf) wurde mit 49 Prozent abgefunden und will diese Regelung nicht hinnehmen.

Die Sozialdemokraten waren vor 1933 in vielfältiger Form an den heutigen Regionalzeitungen beteiligt. Die Ansprüche sind nicht einfach nachzuweisen, dennoch könnte die am Dienstag erwirkte einstweilige Anordnung der SPD vor Gericht Erfolg haben. Die Partei hatte in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit dem Betreiben eigener Zeitungen gemacht, was den Schluß zuläßt, daß es letztlich auf eine Abfindung in Form einer Beteiligung an den Erlösen der Treuhand hinausläuft. Weitere Entscheidungen stehen noch über die 'Thüringer Allgemeine‘ in Erfurt und das 'Ostthüringer Tageblatt‘ in Gera aus. In beiden Fällen ist die 'WAZ‘ (Essen) beteiligt. Bereits abgeschlossene oder vorbereitete Verkaufsverträge müssen nun noch einmal nachgebessert werden. Hannes Bahrmann (dpa)