Die Versorgung ist gefährdet

■ Im Gothaer Kreiskrankenhaus werden PatientInnen nach Hause geschickt, weil die ÄrztInnen keine Ermächtigung für das laufende Quartal haben

Gotha. In der urologischen Ambulanz des Gothaer Kreiskrankenhauses werden seit Anfang April die meisten PatientInnen — der Großteil im Alter zwischen 60 und 80 Jahren — nicht behandelt. Sie müssen wieder heimgehen, obwohl sie bestellt waren und aus dem gesamten Kreisgebiet anreisten.

Nur Notfälle werden zur Zeit vom Chefarzt Peter Schultze und seinen Mitarbeitern versorgt. „Normalerweise müßten wir alle wegschicken“, so Facharzt Wolfgang Arndt. Nicht nur er sondern die gesamte Kollegenschaft ist verbittert.

Die Urologen sind für die Misere nicht verantwortlich. Um ambulant behandeln zu können, benötigen sie seit dem 1. Januar eine Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen (KVT). Ohne die dürfen sie keine Sprechstunden durchführen, keine Rezepte ausstellen, ohne die bekommen sie kein Geld von den Krankenkassen. Für jedes Quartal muß die Genehmigung neu beantragt werden. Bis zum 31.März galt eine solche pauschal. Trotz mündlicher Absprachen und Garantien und obwohl sie die Anträge bereits im Januar stellten, erhielten die Gothaer Urologen zum 1. April nicht die nötige neue Ermächtigung.

Sie müssen auf das Ergebnis der Sitzung des Zulassungsausschusses der KVT am 19. April warten. Danach, so hoffen sie, können sie ihre zu Recht verärgerten Kassenpatienten wieder behandeln.

In Weimar, dem Sitz der KVT, stapeln sich 1.000 Anträge aus ganz Thüringen. „Eine Arbeit, die schwer zu bewältigen ist“, stöhnt eine Mitarbeiterin. Man gehe systematisch kreisweise vor. Das akute Gothaer Problem sei erst seit der letzten Woche durch einen Anruf der Ärzte bekannt.

Ein weiteres Beispiel, wie die Umstellung auf das System der alten Bundesländer für manchmal Unglaubliches sorgt. Die Bürokratie bewältigt das angeordnete Tempo nicht. Im Einigungsvertrag ist nachzulesen, daß es Ambulatorien und Polikliniken bis 1995 geben soll. Solche positiven Regelungen bleiben aber womöglich leere Worte, weil die Genehmigungsverfahren zu aufwendig sind.

So müssen die Urologen am Gothaer Kreiskrankenhaus für das dritte Quartal '91 ab 1. Juli erneut eine Ermächtigung beantragen. nelke