Mehr Dampf in den Verwaltungen

■ SPD-Fraktionschef Staffelt zieht Bilanz aus 99 Tagen Große Koalition/ Klima zwischen den Partnern CDU und SPD »ordentlich«/ Die Verwaltungen arbeiten zu schwerfällig

Rathaus Schöneberg. Einen Tag vor dem offiziellen 100. Tag der Großen Koalition zog gestern auch SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt öffentlich Bilanz. Wie berichtet, würdigen dieser Tage sämtliche Fraktionen im Schöneberger Rathaus die bisherige Arbeit des CDU- SPD-Senats. Ditmar Staffelt wurde gestern nicht gerade überschwenglich: Das Klima zwischen den Partnern sei »ordentlich«, und man leiste »ordentliche Arbeit«. »Insgesamt wurde eine Vielzahl von Projekten angegangen«, so Staffelt, bei der Umsetzung hapere es jedoch oft.

Der SPD-Politiker hatte auch Kritisches vorzutragen. Wie bereits in einem taz-Interview bemängelt, beklagte er erneut die Schwerfälligkeit vieler Verwaltungen und forderte mehr Chefentscheidungen. Im Einigungsprozeß sei schnelles Handeln und mehr Improvisation gefragt, als es die Verwaltungen bislang an den Tag legten. »Die brauchen einfach mehr Dampf.« Als Beispiel nannte Staffelt den Straßenbau, wo bereits Gelder vorhanden seien, wegen mangelnder Kooperation der Verwaltungen jedoch keine Aufträge vergeben würden.

Kritische Worte fand Staffelt nicht nur für den öffentlichen Dienst, sondern auch für einzelne Senatsentscheidungen. In Richtung Innensenator Dieter Heckelmann nannte er dessen Äußerungen vor der Visumsfreiheit für Polen »wenig hilfreich« und sprach die Hoffnung aus, daß sich so etwas nicht wiederholen werde — notfalls auch auf Druck des Regierenden Bürgermeisters. Auch Finanzsenator Pieroth blieb nicht verschont. Er muß nach Staffelts Meinung weniger offensiv gegenüber Bonn auftreten und sich schneller Übersicht über den jeweiligen Stand der Finanzverhandlungen verschaffen. Auch sei es ein Fehler gewesen, so Staffelt, die Polizei pauschal aus den Sparauflagen herauszunehmen: »Mit dem gleichen Recht kann jede andere Institution erwarten, aus den Sparmaßnahmen ausgenommen zu werden.«

Das Klima zwischen den Koalitionspartnern werde entscheidend vom Nachtragshaushalt abhängen; die SPD werde soziale und kulturelle Errungenschaften »nachdrücklich verteidigen«. Auch bei der von ihr geforderten Erhöhung der Gewerbesteuer, die die CDU bislang ablehnt, will die SPD nicht nachgeben. Erneute Kritik wurde Verkehrssenator Haase und dessen Vorstoß bei den Tarifen von BVG und BVB zuteil. Die SPD-Fraktion ist mit den Vorschlägen, die Haase unabgesprochen an die Öffentlichkeit gab, nicht zufrieden. Im Fraktionsvorstand wurde nach Auskunft von Staffelt beschlossen, einer Preiserhöhung der Umweltkarte nur um fünf Mark zuzustimmen. Sie würde damit bei der BVG 70 Mark monatlich, bei der BVB 35 Mark kosten. Wer ein Jahresabonnement eingehe, solle aber weiter die alten Preise zahlen. kd