Berlin hat den Randale-Test bestanden

■ Polizei und Demo-Veranstalter vermelden Erfolge am 1. Mai/ Kein Senatskommentar zu Polizeiübergriffen

Berlin. Von Polizeiübergriffen am 1.Mai wollten Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) und die Polizeiführung gestern nichts wissen. Man müsse den Vorwürfen erst nachgehen. Der Senator blieb beim Positiven. Berlin habe seine Eignung als Regierungssitz bewiesen und »die Bewährungsprobe in aller Gelassenheit, aber konsequent bestanden«, erklärte er.

Von den 87 verletzten Polizeibeamten habe lediglich einer vorübergehend stationär im Krankenhaus behandelt werden müssen, sagte Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus. Unter den 181 Festgenommenen waren gestern nachmittag bis auf 9, die noch dem Haftrichter vorgeführt werden sollten, alle wieder auf freiem Fuß. 105 Festnahmen erfolgten nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG). 76 Festnahmen seien wegen des Verdachts auf Straftaten erfolgt, sagte Kittlaus. Darunter seien auch 16 Jugendliche sowie 15 Menschen mit Wohnsitz in den westlichen Bundesländern, 11 kamen aus dem Gebiet der Ex-DDR. 26 der wegen des Verdachts auf Straftaten Festgenommenen hatten ihren Wohnsitz in West-, 23 in Ost-Berlin.

Erfolge vermeldeten auch die VeranstalterInnen der »Revolutionären 1.-Mai-Demonstration« und der Straßenfeste auf dem Lausitzer Platz und dem Kollwitzplatz. Der Verlauf der »Revolutionären 1.-Mai-Demonstration« sei »äußerst zufriedenstellend« gewesen. Als Erfolg bewerteten sie auch das Fest auf dem Lausitzer Platz. Man habe sich sehr darum bemüht, nicht in den gewohnten »Verbalradikalismus« zu verfallen, sondern in verständlichen Flugblättern und Redebeiträgen konkrete Inhalte zu vertreten.

Während des ganzen Festes, das eigentlich bis 20 Uhr laufen sollte, habe man Kontakt mit den zuständigen Kontaktbereichsbeamten gehalten, hoben die VeranstalterInnen hervor. Bereits im Vorfeld hätten sie sich mit der Polizei darauf geeinigt, daß diese nur Objektschutz vornehmen, das Fest ansonsten aber weiträumig meiden sollte. Als der Platz von der Polizei gegen 19 Uhr geräumt wurde, sei plötzlich auch kein Kontakt zur Einsatzleitung mehr herzustellen gewesen.

Wie eine Vertreterin des Ermittlungsausschusses erklärte, seien viele Menschen durch Polizeiknüppel vor allem am Hinterkopf und an den Händen verletzt worden. Genaue Zahlen wollte sie jedoch nicht nennen, »diese Aufrechnerei finden wir falsch«. Mindestens eine Frau sei so zusammengeschlagen worden, daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Ein Arzt im Urban- Krankenhaus berichtete gestern, ab 22 Uhr seien in der Nacht des 1.Mai viele Menschen mit Kopfverletzungen eingeliefert worden.

Auch einige Polizeibeamte äußerten sich gestern kritisch zu den Erfolgsmeldungen ihrer Führung. »Wenn nur zehn Leute es gewollt hätten, Schäden anzurichten, wäre ihnen das auch in diesem Jahr hervorragend gelungen«, hieß es.

Die Schäden seien »vergleichsweise gering«, bestätigte gestern auch der Kreuzberger Bürgermeister König (SPD). Neben dem Polizeieinsatz mit der »richtigen Mischung von Gefühl und Härte« hätte auch die militante Szene selbst zu diesem Ergebnis beigetragen. »Auch die Chaoten sind nicht mehr das, was sie früher mal waren«, meinte König. Auch SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt bescheinigte der Polizei »sehr vernünftige Arbeit«, ähnlich äußerten sich CDU und FDP. hmt/maz

Siehe auch Seite 6