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Aus drei mach eins

Wie aus dem Rias, dem Deutschlandfunk und DS-Kultur ein nationaler Hörfunk werden soll  ■ Von Karl-Heinz Stamm

In den Hochzeiten des Kalten Krieges hatten sie ihre Blütezeit, der Rias in West-Berlin, der Deutschlandsender in Ost-Berlin und der Deutschlandfunk (DLF) in Köln. Denn trotz gewisser Unterschiede im Programmauftrag, hatten alle drei Stationen eines Gemeinsam, sie waren, mehr oder weniger ausgeprägt, Propagandasender. Nun, da die Mauer gefallen und die Wiedervereinigung vollzogen ist, steht der DLF und der Rias, der Deutschlandsender existiert in dieser Form nicht mehr, ohne politische Legitimation da.

Zwar sind Rias und DLF „so überflüssig wie ein Kropf“ (WDR-Intendant Nowottny), die Politiker waren sich aber schnell darüber einig, daß die Anstalten mit dem historischen Status nicht einfach in die Wüste geschickt werden können. Denn schließlich stehen mehr als 1.600 Arbeitsplätze (850 beim Rias, der seit 1988 auch Rias-TV anbietet, 750 beim DLF) auf dem Spiel. Und schon war die Idee eines nationalen Rundfunks geboren. Zwar ist Rundfunkpolitik Ländersache, aber es gibt ja schließlich auch das ZDF und einen Programmauftrag hatte man schnell gefunden. Angesichts des Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands und der Probleme die damit verbunden sind, heißt die Zauberformel ganz einfach Integration.

Eigentlich wollten die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer bereits am 28. Februar in Bonn über die zukünftige Medienlandschaft beraten, doch die finanzielle Not in den neuen Ländern überschattete die Konferenz. Deshalb kam lediglich ein Tendenzbeschluß zustande, der besagt, daß der DLF, der Rias-Hörfunk und der Deutschlandsender- Kultur unter die Verantwortung der Länder zu nehmen seien. An zwei Programme ist gedacht, die aus Gebühren finanziert und werbefrei sein sollen. Um die Kosten einer ländergetragenen Anstalt zu minimieren ist dabei an eine Kooperation mit dem ZDF (Verwaltung und Technik) und der ARD (redaktioneller Bereich) gedacht.

Der nur angedachte Plan kommt den Vorstellungen des DLF-Intendanten Edmund Gruber ziemlich nahe, der seit Beginn der Neuordnungsdebatte auf Eigenständigkeit setzt, d.h. er will neben den beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF eine „dritte Säule“ installiert sehen, die nach dem Vorbild des ZDF organisiert, den Rias und den Klassiksender DS-Kultur integriert. Zwei nationale Hörfunkprogramme sollen angeboten werden: Ein Informationsprogramm über UKW, das aus Köln kommt, und ein Kulturprogramm über Satelit aus Berlin. Das Ganze soll zwar mehr als die Addition von DLF, Rias und DS- Kultur sein, Integration heißt für Gruber aber, daß einer das sagen hat, und wer das sein wird, ist klar: Edmund Gruber. Allerdings hat der Intendant ein Problem, die Belegschaft hat sich gegen seine Pläne ausgesprochen und votiert für das ZDF.

Rein rechnerisch soll das Modell den GebührenzahlerInnen allenfalls eine Tasse Kaffe pro Monat kosten. Zwar kann der 1962 gegründete „Informationssender für Deutschland und Europa“ auf ein beachtliches Informationsprogramm verweisen, im Hinblick auf die Einschaltquoten sieht es allerdings nicht so gut aus. Immerhin konnte die Einschaltquote durch eine Programmreform von 0,8 Prozent (1988) auf 2,8 Prozent erhöht werden.

Droht dem „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ (Rias) also ausgerechnet im 45. Jubiläumsjahr (am 7. Februar 1945 ging der vom US- Hauptquartier als „Drahtfunk im amerikanischen Sektor“ gegründete und dem „United States Information Service“ unterstellte Sender zum ersten Mal über den Äther) die totale Vereinnahmung und der Verlust der Autonomie? Intendant Drück hat denn auch letzte Woche (wir berichteten) den natürlichen Führungsanspruch seines Senders in Sachen nationaler Hörfunk bekräftigt und seine Vorstellungen von zwei getrennten Hörfunksendern, einer mit Sitz in Köln, der andere in Berlin, wiederholt. Rias 1 soll als „Inhaltsrundfunk mit breiter Akzeptanz“ auf einer aufzubauenden deutschlandweiten UKW-Kette und Rias 2 über Satelit angeboten werden. Im Gegensatz zu den Plänen von Gruber will Drück mit seinem „Integrationsfunk Deutschland“ unter das Dach des ZDF. Das erscheint nicht nur im Hinblick auf die finanzielle Potenz der Mainzer einleuchtend, Drück bliebe auch sein eigener Herr im Haus und schließlich träumt das ZDF schon lange von einem „Hörfunk- Standbein“. „Es wäre doch eine böse Ironie der Geschichte“, so der Intendant, „wenn ausgerechnet die Programme von Rias Berlin unter die Räder der deutschen Geschichte gerieten.“ In der Tat hat der Hörfunkchef ein zentrales Argument auf seiner Seite, das ist die beispiellose HörerInnenbindung seines Senders. Denn wie auch immer man die Qualität des Programmes beurteilen mag, wie keine andere Station war die „Freie Stimme der freien Welt“ für viele HörerInnen der DDR ein Hoffungsschimmer im trostlosen Einheitssozialismus. Die 2,5 Millionen Zuschriften, die seit dem Fall der Mauer im Haus an der Kufsteiner Straße eingingen, sind dafür ein Indiz. Zudem ist der Rias mit seinen beiden Programmen in Berlin und Brandenburg der mit Abstand meistgehörte Sender. So liegt Rias 2 in Ost-Berlin mit 35,6 Prozent der täglichen HörerInnen vor dem Privatsender 100,6 (27,6 Prozent) und dem Rias 1 (15,3 Prozent) in der HörerInnengunst an erster Stelle.

Und der Deutschlandsender Kultur? Der MitarbeiterInnenstab von Rudolf Mühlfenzl drängt, daß bald Entscheidungen fallen, aber in Bezug auf Medienpolitik scheint gegenwärtig in den neuen Ländern gar nichts zu laufen. Zwar ist der Sender aus der Ostberliner Nalepastraße, der aus einer Zusammeschluß von Deutschlandsender und Radio DDR 2 entstand, erst seit 16. Juni vergangenen Jahres auf Sendung, dafür aber hat sich das 24-Stunden-Kulturprogramm einen beachtlichen Namen gemacht. Schließlich haben die rührige Chefredakteurin und ein prominenter Programmbeirat auch bei den PolitikerInnen dafür gesorgt, daß die Klassikwelle hoch gehandelt wird. Daß der Sender als einziger der vier Programme aus dem Ostberliner Funkhaus aber überhaupt eine Überlebenschance hat, verdankt er wohl einem Passus im Einigungsvertrag, wonach die kulturelle Substanz der fünf Länder erhalten bleiben müsse. Der Rundfunkbeauftragte Rudolf Mühlfenzl konnte folglich argumentieren, daß auch „Lasten“ übernommen werden müssen. Immerhin geht DS-Kultur nicht ganz ohne Aussteuer in eine Liaison: Der Sender bringt eine komplette UKW-Frequenzkette mit, die über die fünf neuen Bundesländer hinausreicht.

In beiden Konzepten heißt es zwar unisono, daß der Kulturkanal (der von 250 auf zirka 150 MitarbeiterInnen zurückgeschnitten wurde) integriert werden soll. Der feine Unterschied scheint aber darin zu bestehen, daß im Rias-Konzept das kleine Wörtchen gegebenenfalls davor steht. Aus dem Haus in der Kufsteiner Straße sind denn auch hinter vorgehaltener Hand Vorbehalte gegen die einstigen MitarbeiterInnen des Staatsfunks zu vernehmen.

Indessen drängt die Zeit. Denn wenn die Neuordnung des Rundfunks bis zum 1. Januar 1992 (wie im Einigungsvertrag vorgesehen) vollzogen sein soll, dann müssen die Ministerpräsidenten spätesten bei ihrer Konferenz am 13. Juni eine endgültige Entscheidung über die Form des nationalen Hörfunks fällen. Selbst wenn die Landesfürsten den nationalen Hörfunk weiter gewogen bleiben, so ganz ohne Verluste wird das Ganze nicht abgehen. Für den Fall aber, daß sie dem Gruberschen Modell den Vorzug geben, hat Rias-Intendant Drück bereits eines klargestellt, ein Deutschlandradio könne nur aus einer Sadt kommen, und die heißt Berlin.

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