Küssen verboten?

■ Neben Rauchen soll auch Küssen ein Krebsrisiko sein

Auf dem diesjährigen Immunologenkongreß in Ost-Berlin war zu hören, daß Personen, die das Pfeiffer-Drüsenfieber hatten, ein erhöhtes Krebsrisiko tragen. Diese Behauptung ist erstmalig in einer älteren US-amerikanischen Studie in der Fachzeitschrift 'Cancer Research‘ aufgestellt worden. Die erhöhte Zahl der Krebserkrankungen war jedoch nicht sehr groß, und könnte, wie die Forscher selbst sagen, noch im Bereich des Zufälligen liegen.

Etwas anderes machte die Wissenschaftler stutzig: Eine bestimmte Tumorart, das Lymphom, trat in der Untersuchungsgruppe der vormals an Pfeiffer- Drüsenfieber Erkrankten, extrem häufig auf. Außerdem entwickelte sich bei einigen Personen direkt anschließend an das Pfeiffer-Drüsenfieber ein Hodgkin-Lymphom, ein Tumor des lymphatischen Systems.

Das Pfeiffer-Drüsenfieber wird wahrscheinlich durch Küsse übertragen. Deshalb wird diese Krankheit, mit der Fieber, Lymphknotenschwellung und ein verändertes Blutbild einhergehen, auch als Kußkrankheit bezeichnet.

Der Erreger ist das Epstein- Barr-Virus (EBV), das auch in den Tumorzellen des Hodgkin- Lymphoms nachzuweisen ist. Das EBV ist wiederum ein Virus der Herpesfamilie. Wenn ein Herpesvirus den Körper einmal befallen hat, bleibt es ein Leben lang in bestimmten Körperzellen in latentem, daß heißt, in einem inaktiven Zustand. Im Fall eines geschwächten Körperabwehrsystems wird das Virus aktiv.

In vielen Teilen der Welt werden die Menschen schon im frühen Kindesalter mit EBV angesteckt. Warum das so ist, vermögen Wissenschaftler nicht zu erklären. In den Ländern der westlichen Zivilisation, in denen die Menschen aufgrund eines höheren hygienischen Standards erst später mit dem EBV in Berührung kommen, erfolgt die Erstinfektion im Pubertätsalter durch das Küssen. Diese späte Erstinfektion führt in etwa 50 Prozent der Fälle zum Pfeiffer-Drüsenfieber. Wenn diese Erklärung richtig ist, ist es eine der seltenen Krankheiten, die durch einen zu hohen hygienischen Standard begünstigt werden.

Wenn man diese Krankheit bekommt, meist im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, verläuft sie in den meisten Fällen nicht sehr schlimm. Nach einer Woche hat man sich vom Fieber und den geschwollenen Lymphknoten erholt. Was bleibt, sind die normalerweise inaktiven Viren. Aber ab und zu vermehren sie sich und werden mit dem Speichel ausgeschieden, der dann für den Geküßten infektiös ist.

Jedoch aus Angst vor dem Epstein-Barr-Virus das Küssen zu unterlassen, wäre übertriebene Vorsicht. Schließlich leben noch 90 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus. Es ist sicherlich sinnvoller die bekannten Risikofaktoren wie Krebs, Rauchen, ungesunde Ernährung und so weiter zu vermeiden. Carola Pahl