Legalisierung von Heroin?

■ Kolloquium der Kriminalpolitikforschung zur neuen Drogendebatte

“Die Heroinabgabe allein reicht nicht.“ Andre Seidenberg, der als praktizierender Arzt in Zürich zusammen mit einem Kollegen und zwei Psychotherapeuten 50 Methadonpatienten und einige Dutzend Drogenkonsumenten in der Schweiz betreut, geht mit einer klaren Position in die angeblich „neue“ Drogendiskussion. „Legalisierung von Heroin“ — in dieser Debatte, die die Kriminalpolitikforscher der Bremer Uni gestern mit einem internationalen Kolloquium in die Bremer Öffentlichkeit brachten, vertritt der Schweizer Mediziner den für deutsche Verhältnisse weitreichendsten Vorschlag: Er plädiert für die Einrichtung von „Konsumlokalen“, die über die „Fixerstuben“ und Spritzentausch noch hinausgehen.

Damit soll der Drogenabhängige beim Arzt prinzipiell die Droge seiner Wahl erhalten können, und zwar auch in der Konsumform seiner Wahl. „Es handelt sich hierbei nicht um die Freigabe des Drogenkonsums“, betont Seidenberg jedoch. Denn natürlich werde der Konsum limitiert: durch den geltenden, (gesetzlichen) Begriff des Mißbrauchs. Außerdem muß sich nach diesem Modell der Konsument „zu seinem Schutz“ (Seidenberg) der Kontrolle durch den Arzt unterziehen. Für diese klar begrenzten Fälle hat die Schweizer Gesetzgebung die Verantwortung damit den Ärzten übertragen: Sie müssen die Indikation des Konsums stellen.

Das Schweizer Betäubungsmittelgesetz, berichtete Dr. Seidenberg den TagungsteilnehmerInnen in Bremen, gesteht den Ärzten zu, Betäubungsmittelabhängige mit Betäubungsmitteln zu behandeln: mit Methadon wie mit Kokain und Amphetaminen. Erste Versuche mit Heroin werden jetzt möglich. „DDD — Diversifizierte Drogenverschreibung und Drogenabgabe“ nennt sich die Initiative des „Vereins Schweizerischer Drogenfachleute“, die solche Konsumlokale einführen will.

„Negativ berührt“ zeigte sich Seidenberg auf der Tagung dann auch, daß sich die Ärzte in Deutschland in der Drogenfrage ihre Selbstbestimmtheit nicht bewahren könnten — „weniger als in der Schweiz und in Großbritannien“: „Den Medizinern muß man die autonomen Räume zur Verfügung stellen, die sie zu ihrer Selbstbestimmung brauchen“, forderte er.

Ganz im Gegensatz zu den Vertretern von CDU und FDP (den Juristen Ralf Borttscheller und Axel Adamietz) auf dem abschließenden Podium, hält er eine allein repressive Politik für nicht angemessen. Die Drogenfrage dürfe nicht zum Prüfstein sämtlicher ideologisch-politischer Richtungen werden, meinte der Schweizer. Und der Grüne Martin Thomas plädierte für „Hilfen für den Menschen“, unabhängig von Ideologien.

ra