GEWICHTIG DURCH DIE TÜRKEI

■ Eine Reise mit Journalisten durch das Urlaubsland Türkei

Eine Reise mit Journalisten

durch das Urlaubsland Türkei

VONUWEHELLNER

„Hey! Guckt mal! Das Fernsehen!“ Susi wird ganz aufgeregt. Und tatsächlich: Als wir aus der Glastür des Flughafens von Izmir treten, umzingelt uns gleich eine Horde Paparazzi — Fotografen, Kameraleute, Journalisten. Wir werden erwartet: knapp 20 deutsche mehr oder weniger Reisejournalisten als Gegenstand der Berichterstattung. Mit dem Golfkrieg blieben nämlich die deutschen Touri-Bomber schlagartig aus. Ein großer türkischer Reiseveranstalter blies zum publizistischen Gegenangriff und lud, zusammen mit dem Touristik-Ministerium in Ankara und einer staatlichen Hotelkette, zur Pressefahrt. Wir sollten die Türkei als Reiseland wiederentdecken und darüber natürlich berichten.

Im Bus schiebt sich einer der türkischen Kollegen auf den Nebensitz und lacht mich erwartungsvoll an. „Schön, die Türkei“, murmle ich verlegen. Ein paar Kilometer sind wir gerade gefahren. Er nickt begeistert und versucht mir zu erklären, was ich durch das Fenster sehe. Aber das einzige, was ich verstehe, ist sein Name. Der Kollege heißt Yussuf.

Gleich im ersten Hotel wird's dann offiziell. In Schlips und Kragen schlürfen wir Cocktails, lassen die Ansprachen des Bürgermeisters, des Hotelbesitzers und des Bezirksgouverneurs über uns ergehen, bis Reiseleiter Metin nach einem endlosen Dia-Vortrag verkündet: „So, und nun darf ich Sie alle an die Tafel bitten!“ Endlich! Bei Raki und Bauchtanz stören auch die Redner nicht mehr, die hinter unserem Rücken weiterbrabbeln. „So läßt es sich leben!“ Alex lehnt sich zufrieden zurück und hebt das Glas: „Serefe!“

Am nächsten Tag ist Yussuf nicht mehr dabei. „Der hat den Raki nicht vertragen“, schmunzelt Metin. Dafür begleiten uns nun zwei seiner Kollegen, die eine Reportage von unserer einwöchigen Tour machen sollen. Esat hat hundert Filme dabei, und er ist fest entschlossen, alle vollzuknipsen.

Hunderte von Kilometern poltert der Bus hupend von Hotel zu Hotel. Land und Leute sehen wir durch das Busfenster. Angehalten wird nur für Pinkelpausen und für die Besichtigung historischer Stätten. Am Ende der Fahrt erwartet uns dann meistens ein herausgeputzter Hotelchef, manchmal der Bürgermeister und nicht selten der Gouverneur. Wie bei dem Hasen und dem Igel. „Ätzend“, meint Alex, der hier eigentlich Urlaub machen wollte, „fast jeden Abend den Schlips aus dem Koffer zerren.“ So hat er sich das nicht vorgestellt.

Etwas Abwechslung erhofft man sich von einem Segeltörn. Der aufkommende Wind verspricht darüber hinaus gute Fahrt. Nur bei der Reiseleiterin Frau Okan will nicht so recht gute Stimmung aufkommen. Als dann tatsächlich einige der Landratten ihre Mägen entleeren, setzt die pflichtbewußte Frau Okan gleich ein SOS ab. Die Hafenbehörde informiert das Touristikministerium in Ankara, das sieht Alarmstufe rot und versetzt die nahegelegene Marinestation in Alarmbereitschaft.

Am nächsten Tag kleben wir dann wieder auf unseren Stammplätzen im Bus. Die Seereise wurde abgeblasen, obwohl nur die Marinesoldaten eine unruhige Nacht verbracht haben. „Ihr müßt das verstehen“, meint Metin, „was wäre das für eine Schlagzeile gewesen: „Deutsche Journalisten in Seenot“. Natürlich, das ganze Abendland in Aufruhr, und die Türkei wäre als Urlaubsland ein für allemal gestorben. Man dämmert so vor sich hin, als der stille Eset mit einer leisen Frage ins Wespennest sticht: „Was muß man denn eurer Meinung nach tun, damit die Türkei wieder für Touristen interessant wird?“ Plötzlich sind alle hellwach. Keiner hält mit seinen Ratschlägen hinterm Berg. „Das große Kapital dieses Landes sind seine Leute“, doziert Landeskenner Max. Schließlich haben die unserem Bus immer so freundlich zugewunken. „Aber es wäre ein Fehler“, spricht der kritische Olaf seinem türkischen Kollegen ins Diktiergerät, „hier Riesenhotels hinzubauen. So bleiben die Touristen ja doch wieder unter sich. Dabei verschandeln die Kästen nicht nur die Landschaft, sondern auch die Umwelt.“ Langsam wird sich Olaf seiner wahren Bedeutung bewußt. „Hört mal!“, schlägt er vor, „was haltet ihr denn davon, wenn wir am letzten Tag eine kleine Pressekonferenz veranstalten?“ Es wäre doch nun wirklich Blödsinn, wenn wir unsere tiefen Einsichten über das Urlaubsland Türkei nur einem kleinen Kreis von Journalisten und offiziellen Vertretern mitteilen. Der Vorschlag wird angenommen. So hat Olaf was zu tun — klar will er selbst die Konferenz eröffnen —, und wir kommen noch mal ins Fernsehen.

Am letzten Tag ist es dann soweit: Alle sind da, Journalisten von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Die deutschen hinter, die türkischen vor dem Tisch. Gut vorbereitet, erteilt Olaf den verdutzten Gastgebern erst einmal eine Lektion in Sachen Müllvermeidung. Mit ernster Miene schüttet er Shampoofläschchen und Marmeladentöpfchen auf das Pult: „Sehen Sie sich das mal an! Völlig unnötig!“ Massentourismus und Müllproduktion seien mittlerweile ziemlich „gut“. Wenn man allerdings auf sanften Tourismus setzen würde, setzt Max triumphierend noch eins drauf: „Dann werden die Touristen wieder kommen!“ Ernst blickt er den Türken in der ersten Reihe in die Augen: „Ihr Kapital sind die Menschen! Wir haben die Freundlichkeit der Leute hier sehr schätzen gelernt. Ich jedenfalls werde in Kürze mit meiner Frau wieder herkommen.“ Mit Metin hat er dazu gestern schon alles klargemacht.

Um 10 Uhr schalten wir dann für die Nachrichten den Fernseher ein. Doch statt der eigenen wohlgenährten Konterfeis blicken uns die Gesichter von verhungerten und zerlumpten Kurden entgegen. Aber das war ja nicht unser Thema.