Türkei stört Hilfslieferungen in den Nordirak

■ Grenzverkehr stark behindert/ Kontrollmaßnahmen gegen Hilfsgütertransporte und Pressevertreter an türkisch-irakischer Grenze nehmen zu/ Ausländische Journalisten haben sich durch ständige Kritik auch bei türkischer Presse unbeliebt gemacht

Silopi/Istanbul (ap/taz) — Die Türkei hat gestern morgen Hilfslieferungen für die kurdischen Flüchtlinge im Nordirak zunächst stundenweise gestoppt und danach stark behindert. Alliierte Soldaten konnten nach Wiedereröffnung der Grenze die Brücke über den Habur nur ohne Vorräte und Waffen passieren. Ein britisch-amerikanischer Konvoi wurde zurückgewiesen, nachdem türkische Zollbeamte entdeckt hatten, daß sich in den Jeeps Kisten mit Fertignahrung befanden. Mehrere Lastwagen mit kanadischen Soldaten durften dagegen passieren, nachdem sie ihre Waffen bei einem alliierten Stützpunkt in Silopi hinterlegt hatten.

Der US-Oberst Bob Flocke sagte, die alliierten Kurdenhilfe werde auf jeden Fall sehr ernsthaft behindert. Von türkischer Seite wurden die Meldungen über die Ereignisse an der Grenze dementiert. Die Vorkommnisse sind ein Zeichen wachsender Spannungen zwischen den in der Kurdenhilfe engagierten Alliierten und der Türkei, aber auch innerhalb der Türkei. Als treibende Kraft hinter den jüngsten Vorgängen vermuten Beobachter das türkische Militär. Eine Rolle könnte die wachsende Verärgerung über die internationale Presse spielen, die die türkischen Behörden wegen ihres Verhaltens gegenüber Flüchtlingen und Hilfsorganisationen kritisiert hat.

Journalisten, die von der Türkei aus in den Irak einreisen wollen, müssen ihre Absicht in Zukunft den türkischen Behörden in Diyarbakir oder in der Grenzstadt Silopi melden, erklärten am Donnerstag die türkischen Behörden. Bereits zu Beginn der Flucht der irakischen Kurden in die Türkei hatten die türkischen Behörden den ausländischen Journalisten den Zugang in die betroffenen Gebiete so weit wie möglich erschwert.

Weite Teile dieses von Kurden bewohnten Gebiets sind normalerweise für die ausländische Presse völlig gesperrt. Seit knapp zwei Wochen hatten sich die Behörden nun zu einer ungewöhnlichen Freizügigkeit entschlossen: An die zu Hunderten eingefallenen Presseleute waren unbürokratische Presseausweise ausgegeben worden, das Passieren der zahlreichen militärischen Checkpoints in der Gegend verlief reibungslos. Doch inzwischen scheint die Obrigkeit ihre Freizügigkeit zu bereuen: Statt sich dankbar für soviel Liberalität zu zeigen, hatte die ausländische Presse nicht aufgehört, die Schikanen der türkischen Soldaten gegenüber den Flüchtlingen anzuprangern.

Aufregung verursachte jüngst der Artikel des britischen Journalisten Robert Fisk, der in 'The Independent‘ über Diebstähle türkischer Soldaten an Hilfslieferungen berichtet, die für die Flüchtlinge bestimmt waren. Im Bestreben, den Botschafter der schlechten Nachricht unschädlich zu machen, wurde Fisk am Donnerstag von der türkischen Geheimpolizei festgenommen. Er sollte gestern abend ausgewiesen werden. Sein Artikel war zuvor in der türkischen Presse mit einer ausführlichen Gegendarstellung nachgedruckt worden.

„Die Türkei gehört in diesem Krieg zu den Verlierern“, hatte sich eine Kolumnistin der auflagenstarken Tageszeitung 'Milliyet‘ vor wenigen Tagen beklagt. „Fast jeden Tag wird in der westlichen Presse den türkischen Behörden die Schuld an Tod und Krankheit der Flüchtlinge gegeben. Dieser Zustand hat, mit Deutschland an der Spitze, in den westlichen Ländern eine Anschwärzungskampagne gegen die Türkei ausgelöst.“ Antje Bauer