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„Ich bin ein sehr guter Soldat gewesen“

David Chilldres ist einer von drei US-Soldaten, die von einem US-Militärgericht in Bremen wegen Desertion während des Golfkriegs verurteilt wurden/ Haftstrafen zwischen 4 und 27 Monaten/ Eltern von Chilldres sagten im Prozeß aus  ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf

Einundzwanzig Jahre lang hat David Chilldres sein Leben ausschließlich in der Welt des US-Militärs verbracht — als Sohn eines Navy-Offiziers in Stützpunkten auf Hawaii, in Virginia, Kuba, Spanien und als Berufssoldat in Garlstedt bei Bremen. Daß er im vergangenen Jahr anfing, sich von dieser Welt aus Uniformen, Waffen, Befehl und Gehorsam zu trennen, muß er jetzt mit vierzehn Monaten Militärknast bezahlen — und das, obwohl seine zweijährige Dienstverpflichtung bei der Army eigentlich schon Ende April zu Ende gegangen war. David Chilldres wurde am Donnerstag im bundesweit vierten Verfahren gegen US- Soldaten, die sich dem Einsatz im Golfkrieg durch Befehlsverweigerung oder Untertauchen entzogen haben, verurteilt.

Als erster GI in Deutschland war der gläubige Moslem William Allen am 19. April in Fürth mit einem Jahr Militärknast bestraft worden. In Garlstedt bei Bremen gab es insgesamt drei Urteile zwischen 4 und 27 Monaten. In den Vereinigten Staaten schwankten die bisher verhängten Strafen zwischen 14 und 18 Monaten. Fast immer waren sie zudem mit unehrenhafter Entlassung aus der Army verbunden — der Verlust aller im Militär erworbenen Sozialleistungen und schwere Probleme bei späterer Jobsuche sind die Folge. Beim Frankfurter „Military Counceling Network“, das US-SoldatInnen bei der Kriegsdienstverweigerung hilft, wird die Zahl der Fälle von „unerlaubtem Fernbleiben von der Truppe“ in Deutschland während des Golfkriegs auf mindestens zweihundert geschätzt.

David Chilldres hatte seine Entscheidung gegen den Golfkrieg in der Neujahrsnacht gefaßt. Am 2. Januar war er nicht wieder zu seiner bei Bremen stationierten Panzereinheit mit dem Namen „Hell On Wheels“ zurückgekehrt. Bis zum Ende des Golfkriegs hielt er sich bei Freunden versteckt, um sich am 27. März schließlich dem US-Militär in Frankfurt zu stellen. Dort wurde er zunächst für zehn Tage in die Psychiatrie eingewiesen und beantragte dann seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Das unerlaubte Fernbleiben von der Truppe und seine Flucht vor der Verlegung nach Saudi-Arabien hatte Chilldres bereits im Vorfeld des Militärgerichtsverfahrens gestanden. Seine Anwältin, die von deutschen Friedensgruppen aus den USA eingeladene Clare Overlander, konnte daraufhin in einem „Pre-Trial- Agreement“ mit der Militärstaatsanwaltschaft eine Höchststrafe von vierzehn Monaten vereinbaren.

Wäre es nach Militärrichter Green gegangen, hätte es für Chilldres sogar sechzehn Monate Knast gegeben. Der Mann mit kargem grauen Haar über einem üppigem schwarzen Talar hatte sich gestern hinter Aktenordnern und Kaffeebechern verschanzt und folgte den Aussagen der Zeugen nur unwillig. Da waren zum Beispiel die Eltern, eigens zum Prozeß aus den USA herübergeflogen. Während Vater Chilldres seinen Sohn nachdenklich vom Zuschauerraum aus beobachtete, setzte sich die Mutter unter „Stars and Stripes“ in den Zeugenstuhl. Bei der Panama-Invasion hätte ihr Sohn zum ersten Mal zu Hause angerufen und offene Zweifel an der Army geäußert. „Es ist doch nicht in Ordnung, daß wir dort Zivilisten umbringen“, habe er gesagt. Ein Angsthase sei ihr Sohn aber bestimmt nicht, ergänzte die Mutter, die selber zur pazifistischen Glaubensgemeinschaft der Quäker gehört: „Seine Entscheidung zur Kriegsdienstverweigerung war sicher sehr schwer für ihn, weil er weiß, daß er sich damit auch gegen seinen Vater richtet.“

„Ich bin ein sehr guter Soldat gewesen“, hatte zuvor auch David Chilldres selber zugegeben, „am Anfang hat es mir auch Spaß gemacht.“ Aber dann waren ihm die Zweifel gekommen: „Am 15. August habe ich zum ersten Mal versucht, mit meinem Vorgesetzten darüber zu sprechen“, erinnerte er sich vor Gericht. Doch immer wieder war er mit seinem Problem einfach abgeblitzt. Psychosomatische Störungen wie Herzrasen und Ohrensausen wurden von der Army ignoriert. „Wenn dir deine Ohren klingeln, warum nimmst du dann den Hörer nicht ab?“ hatte der Militärarzt gewitzelt.

Auch mit einem Selbstmordversuch Ende November konnte Chilldres nicht auf sich aufmerksam machen. „Ich habe mich sehr isoliert gefühlt“, erinnerte er sich gestern. Geholfen hat ihm schließlich der Kontakt zu den Bremer AntimilitaristInnen von der Initiative „Statt Krieg“, die ihn als erste ausführlich über das in der US-Verfassung garantierte Recht auf Kriegsdienstverweigerung informierten.

Und geholfen hat ihm auch seine deutsche Freundin. Während die Garlstedter „Hell On Wheels“ im Irak in die Panzerschlacht zogen, haben sie ein Kind gezeugt. Aber wenn es dann in Bremen auf die Welt kommt, wird Kriegsdienstverweigerer David Chilldres noch in Kansas oder Kentucky den Rest seiner Militärstrafe absitzen müssen.

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