Die Lage voll im Griff

Brandenburgs SPD konnte auf ihrem Landesparteitag gelassen debattieren: Der sozialdemokratischen Mehrheit ist man sich (selbst-)sicher  ■ Von Irina Grabowski

Neuruppin. Am Sonnabend trafen sich die Sozialdemokraten Brandenburgs zum gegenseitigen Schulterklopfen in Neuruppin. Euphorische Gelassenheit schwebte über dem SPD-Parteitag. Eins schien den Anwesenden sicher: Die sozialdemokratische Mehrheit im Lande würde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

„Die Koalition ist gut und funktioniert“, sprach der Fraktionsvorsitzende im Landtag Wolfgang Birthler sein Urteil. Aber es gebe nichts Schlimmeres, schob er nach. „Einer der lieben Kleinen spinnt immer“, mißfielen ihm die eigenen Ansichten der Liberalen zur Schulreform und der Bündnis-90-Leute zu Polizei und Verfassungsschutz. Und was die Opposition sei, „die gibt es gar nicht“. Es mache keinen Spaß, immer mit dem „Finger im Pudding zu rühren“.

„Wir sind auch selber schwierig“, rettete Ministerpräsident Manfred Stolpe die Situation. Mit den Ampel- Partnern sei gute Arbeit möglich. Er schwörte ihnen „auf alle Fälle“ bis zum Ende der Legislaturperiode — also bis 1994 — die Treue.

Nach dem Vorprogramm trat — begleitet vom Jubel der Massen — der heißerwartete Gast aus Bonn ans Pult. Die schlohweiße Mähne in den Nacken geschoben, schleuderte Hans-Jochen Vogel die Absage an eine große Koalition ins Publikum. Der Kohl habe die Vereinigung als „Privatangelegenheit“ behandelt und die Probleme verniedlicht. Jetzt bahne sich eine nächste Täuschung der Menschen an, wenn der Waigel verspricht, die Ergänzungsangaben bis zum 30. Juni 1992 begrenzen zu wollen. Dafür gebe sich die SPD nicht her. Auch die andere Seite bekam ihr Fett. Mit Puterröte im Gesicht klagt Vogel, wie sehr es ihn nerve, daß sich „dieser Güüsi“ mit seinem „zynischen Gedächtnisverfall“ als Anwalt der geplagten Menschen im Osten aufspiele. Zur Hochform aufgelaufen, rief Vogel den anwesenden SPD-Kommunalgrößen zu: „Seid nicht ängstlich beim Investieren, schiebt die Paragraphen beiseite!“ Die Arbeit springe einem im Osten geradezu ins Gesicht.

Und damit war die Luft raus. Brav hoben die Delegierten die Hände zur Abstimmung der zahllosen Anträge, wählten ihre Vertreter für den SPD- Bundesparteitag Ende Mai in Bremen und bestätigten Regine Hildebrandt und Manfred Stolpe als Kandidaten für den Bundesvorstand.

Keine Diskussion über die von Vogel angemerkte Mitgliederschwäche. Mit vielen blumigen Worten erläuterte der Landesvorsitzende Steffen Reiche, wie auf der Grundlage der Geschäftsstellen und Abgeordnetenbüros, in Zusammenarbeit mit den Vertretern in den Kommunen, über Bürgersprechstunden, intensiven Kontakten in den Ortsverbänden und so weiter die politikschlaffen Brandenburger zur Beteiligung animiert werden sollen. Stolpe warnte davor, daß wenn die Menschen im Osten keine Chance bekommen, die Mauer zwar weg sei, aber die „Gräben des Mißverstehens, der Lähmung und Frustration“ tiefer werden. Seine Worte fielen in den Schubkasten „routinierte Redeschnipsel“. Verabschiedet wurde eine Erklärung „Wohnen ist ein Menschenrecht“. Ganz nebenbei monierte die Basis in den Pausengängen, das Profilierungsgehabe mancher Mandatsträger.

Die Journalisten hielten sich am Ex-Promi Markus Meckel und dem gestürzten Minister Walter Romberg fest. Etwas Leben kam in den Saal, als die Cottbusser GenossInnen eine gerechte personelle Vertretung ihrer schwarzen Region im Landesvorstand fordern.