Mit dem Lkw auf dem Naturlehrpfad

Die Peißnitzinsel, einzige grüne Lunge von Halle, wird als Messegelände benutzt und zerstört/ UmweltschützerInnen fordern bisher vergeblich, weitere Schäden von der Saale-Aue abzuwenden  ■ Von Steve Körner

Halle. Umweltschützern und Aue- Waldfans jagte es einmal mehr kalte Schauer über den Rücken: Wieder einmal mußte das ökologisch wertvolle Gelände der Peißnitzinsel, eine Art grüne Lunge der ansonsten grauen Stadt Halle, als Austragungsort einer obskuren „Vrbraucherschau“ herhalten.

41.000 HallenserInnen stürmten bereits in den ersten beiden Tagen unmittelbar nach der Eröffnung die Ausstellungshallen und Freiflächen des früheren „Kultur- und Freizeitparks“ Salle-Aue, der in den Monaten seit der Wende eigentlich nur noch für „Messen“ aller Art Verwendung findet. Bereits im Herbst vergangenen Jahres war es wegen der umweltzerstörenden Nebeneffekte der diversen Einkaufsschauen zu teilweise heftigen und sogar handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen, als Mitglieder des Arbeitskreises Auewald der Grünen Liga die einzige für den Fahrzeugverkehr passierbare Brücke zur Peißnitzinsel aus Protest für mehrere Stunden blockierten.

Konsens zwischen den UmweltschützerInnen, die schon längere Zeit vergeblich versuchen, ein funktionierendes Feuchtbiotop am Rande der Insel aufzubauen, und dem Magistrat war damals schließlich klargewesen, daß man für künftige Ausstellungen alternative Veranstaltungsorte suchen müsse. Die Suche allerdings scheint erfolglos geblieben oder — was sehr viel wahrscheinlicher ist — gar nicht durchgeführt worden zu sein. Jedenfalls ist alles wie immer, zumindest beinahe. Autos parken auf den weitläufigen Grünflächen, obwohl sich die Organisatoren diesmal sichtlich bemüht haben, die jämmerlichen Rasenreste durch Absperrleinen zu schützen. Lieferfahrzeuge tuckern über Naturlehrpfade, neben Pommesbuden und Würstchengrills treibt der Wind Pappteller und Plastikbecher zu Bergen zusammen.

Der einzige auffallende Unterschied: Wo im vergangen Jahr noch 21 Ausstellungshallen mit tausenden von Ausstellern um die Gunst und das Bare der BesucherInnen buhlten, sind heute gerade mal noch drei übrig. Und selbst die sind nicht ausgebucht.

Die lokale Presse nennt das Messe, aber die „große Auto- und Urlaubsschau“ unter dem Motto „Alle sollen reisen“ präsentiert auf 65.000 Quadratmetern Fläche doch vor allem gähnende Leere. Von den ursprünglich angekündigten „sämtlichen Autohäusern Sachsen-Anhalts“ haben zur Enttäuschung der PS-begeisterten BesucherInnen bloß drei oder vier den Weg auf die Insel gefunden.

Und Reiseanbieter sind auch nicht viel mehr gekommen. Eigentlich eine Pleite für die Ausstellungsgesellschaft, die bis zur Eröffnung noch an ein „Großereignis“ geglaubt haben will. Wären da nicht die gutmütigen, pflegeleichten und dankbaren HallenserInnen, die scheinbar auch für den größten anzunehmenden Schwachsinn noch liebend gern fünf Mark Eintritt hinlegen, um dann ohne mit der Wimper zu zucken lauter unnütze Sachen anzuschauen und einzukaufen, die sie in jeder beliebigen Kleinstadt der Umgebung besser, bequemer und billiger bekommen könnten.