Distanz zu psychisch Kranken wächst

■ Attentate auf Schäuble und Lafontaine beeinflussten Mitmenschen

Seitdem psychisch Kranke Attentate auf Oskar Lafontaine und Wolfgang Schäuble verübten, ist die Abneigung in der deutschen Bevölkerung gegenüber psychisch Erkrankten stark gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die am Wochenende auf dem Landestreffen der Angehörigen psychisch Kranker in Niedersachsen und Bremenin Lüneburg veröffentlicht wurde.

Das Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim hatte unter anderem danach gefragt, ob ein psychisch Kranker als Nachbar oder Arbeitskollege, als Mieter oder Schwiegersohn akzeptiert würde. Eindeutig feststellbar sei, so der Leiter des Instituts, Professor Matthias Angermeyer, ein starker Zusammenhang zwischen den Anschlägen auf die beiden Politiker und der Einstellung der Bevölkerung. 6.000 Frauen und Männer waren in den alten und neuen Bundesländern kurz vor und nach den beiden spektakulären Attentaten im vergangenen Jahr interviewt worden. Nach den Attentaten stieg die Ablehnung um bis zu 27 Prozent.

Als Nachbarn oder Arbeitskollegen mögen sich noch 76 Prozent der Deutschen psychisch Kranke vorstellen. Doch wenn sie in die Familie einheiraten wollen, schrumpft die Toleranz auf 34 Prozent. Die Ergebnisse zeigen nach Ansicht von Institutsleiter Angermeyer, daß psychische Krankheit in der Bevölkerung aufgrund mangelnder Kenntnisse sehr stark mit Unsicherheit und Ängsten besetzt seien. Und das, obwohl die Gruppe der psychisch Kranken immerhin rund ein Prozent der Bevölkerung ausmache.

Unterdessen fordert die Landesgemeinschaft der Angehörigen psychisch Kranker Niedersachsen und Bremen die Kommunalpolitiker auf, mehr betreute Wohnungen und Wohngemeinschaften sowie Tagesstätten mit Möglichkeiten zur sinnvollen Beschäftigung einzurichten und mehr niedergelassene Psychiater zu ermöglichen. Nur so könne eine Basis geschaffen werden, den psychisch Kranken die selbstverständliche Aufnahme in der Gemeinde zu ermöglichen. dpa