Eingesperrtes Bewußtsein

■ CDU will Mauerrest in Bernauer Straße abreißen, weil es Bewohner stört/ Jetzt soll Senator helfen/ Kulturausschuß will drei Mauerstücke erhalten

Berlin. Im Streit um ein Mauermuseum in der Bornholmer Straße mauert die CDU weiter. Uwe Lehmann- Brauns, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion, erklärte gestern im Abgeordnetenhaus, daß der etwa 200 Meter lange Rest des Todesstreifens eingerissen werden müsse, wenn er bei den Anwohnern »das Bewußtsein des Eingesperrtseins verlängert«. Die CDU fand im Kulturausschuß allerdings keine Unterstützung.

Michael Kramer (Bündnis90/ Grüne) fragte Lehmann-Brauns,ob er den Wünschen der Anwohner auch entsprechen würde, wenn sie ein sechsspuriger Ausbau der Bernauer Straße stören würde. Der Verkehrssenator favorisiere derartige Pläne. Wer dafür die Mauer abreiße, sei ein »Kulturbanause«. Hartmut Albroschat, Diakon im Krankenheim »Lazarus«, erklärte dem Kulturausschuß, daß die alten Menschen an ihrem Lebensabend nicht auf die Mauer gucken wollten — Verkehr sei aber »schon immer in der Bernauer Straße« gewesen.

Helmut Engel, Landeskonservator, will den Mauerrest erhalten wissen. Helmut Trotnow vom Deutschen Historischen Museum meinte: »Die Geschichte des 20. Jahrhunderts gehört uns nicht allein.« Nur weil ein kleiner Teil der Anwohner einen Abriß wolle, dürfe nicht das Bollwerk verschwinden, das die Überwindung des kommunistischen Unrechtssystems symbolisiere.

Der Ausschuß entschied sich gestern dafür, daß Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) mit den Bewohnern des Altenheimes einen Konsens herstellen solle. Ulrich Roloff-Momin, SPD-naher Kultursenator, kündigte aber an, daß möglicherweise eine Lösung gegen den Willen der Anwohner gefunden werden müsse. Der Mauerrest sei ein mittel- und osteuropäisches Denkmal. Weil auch dieses Stück die Einschnürung der Stadt nicht mehr anschaulich darstellen könne, müsse man »einen anderen Ausdruck oder eine andere Gestalt« finden. Ein Kupferstreifen entlang dem ehemaligen Grenzverlauf wäre denkbar.

Einig waren sich die Abgeordneten aller Fraktionen, die Mauerreste am nördlichen Rand des ehemaligen Gestapo-Geländes an der Niederkirchener Straße, am Invalidenfriedhof in Mitte und die East-Side-Galerie an der Stralauer Straße zu erhalten. Albert Eckert (Bündnis 90/Grüne) forderte für weitere Mauerstücke und auch für den Umlandmauerstreifen ein Gesamtkonzept. Dirk Wildt