SPD-Senatoren wollen Gürtel nicht enger schnallen

■ Heute wird der Senat über den Nachtragshaushalt beraten/ Vor allem Jugendsenator Krüger meldet Protest an/ Sozialsenatorin will in Zukunft bei der Polizei sparen/ Noch keine Entscheidung aus Bonn über weitere Bundeshilfe

Berlin. Wenn Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) heute im Senat seinen Entwurf für den Nachtragshaushalt zur Debatte stellt, stehen die Zeichen auf Sturm. Der Grund: Einige SPD- Senatoren fürchten, sie kämen im Haushaltsgerangel zu kurz. Regelrecht erschrocken war beispielsweise Jugend- und Familiensenator Thomas Krüger (SPD), als er Pieroths Entwurf letzte Woche das erste Mal zu sehen bekam. Der Finanzsenator habe nur 15 Prozent der Summe bewilligt, die man als Bedarf für den Ostteil der Stadt angemeldet habe, klagte gestern Krügers Staatssekretär Klaus Löhe. Als aus dem Ostteil stammender Politiker könne Krüger »mit diesem Haushaltsplan sehr schlecht leben«. So würden »viel zu wenig« Mittel für neue Elterninitiativkindertagesstätten (Eikitas) im Ostteil der Stadt ausgewiesen, schimpfte der Staatssekretär.

Der Haushaltsentwurf, in dem erstmals auch die Ausgaben für die östliche Hälfte Berlins verankert sind, soll heute vom Senat beschlossen und dann dem Abgeordnetenhaus zugeleitet werden. Ende Mai soll das Parlament den Entwurf beschließen. Sollte es bei diesen Zahlen bleiben, werde Krüger vermutlich stärker als geplant im Westen sparen, um dem Osten zu helfen, kündigte Löhe an. Die Mittel für Zuwendungsempfänger im Westteil müßten eventuell doch um 11,5 Prozent gekürzt werden, nicht nur um 6,5 Prozent, wie der Senat zwischenzeitlich beschlossen hatte.

»Nicht glücklich« ist auch Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD). Mit dem Entwurf für 1991 sei Stahmer zwar »einverstanden«, sagte ihr Staatssekretär Armin Tschoepe gestern. Trotzdem werde es sehr schwierig, mit den jetzt zugesagten Mitteln »die Angleichung der Lebensverhältnisse zu finanzieren«. Stahmer will deshalb schon heute Forderungen für den Haushaltsplan 1992 anmelden. Künftig müsse der Senat sich »andere Bereiche« zum Sparen suchen als ausgerechnet die Sozialausgaben. So sei die hohe Polizeidichte »ein Thema, das behandelt werden muß«, mahnte Tschoepe. Zu »prüfen« sei auch, ob die Gelder für die Freiwillige Polizeireserve »wegfallen« könnten.

In der Klemme ist freilich auch der Finanzsenator. In seinem Nachtragshaushalt stehen Mehrausgaben von über zwölf Milliarden Mark lediglich 7,5 Milliarden an zusätzlichen Einnahmen gegenüber. Die Nettoneuverschuldung soll deshalb von bisher 1,4 Milliarden Mark auf 3,9 Milliarden steigen. Trotz dieser Rekordverschuldung bleibt vorerst eine Deckungslücke in Höhe von 2,3 Milliarden, die nach Pieroths Auffassung die Bundesregierung als zusätzliche Bundeshilfe zuschießen soll. Bisher wartet der Senat jedoch vergeblich auf das erlösende Wort aus Bonn. hmt