Russische Kumpel setzen sich durch

Kreml unterzeichnet Vertrag über Kohlegruben mit Rußland/ Jelzin erhält ein russisches KGB  ■ Aus Moskau K.-H. Donath

Der Bergarbeiterstreik neigt sich jetzt doch dem Ende zu. Denn gestern ging die Moskauer Zentralregierung überraschenderweise einen Kompromiß ein. Sie unterzeichnete ein Abkommen, das die russischen Bergwerke in die Obhut der Republik Rußland entläßt. Noch Tags zuvor hatten Sprecher des Nowokuznezker Streikkomitees in Sibirien daran gezweifelt, der zwischen Boris Jelzin und den Vertretern der Streikkomitees ausgehandelte Deal werde tatsächlich zustande kommen. Denn Nachrichten wären eingetroffen, das Zentrum wolle nun doch noch entscheidende Änderungen an dem Vertragspapier vornehmen. Doch diese Befürchtungen waren grundlos: Ab jetzt dürfen die Unternehmen und ihre Belegschaften über 80 Prozent der Valutaeinnahmen selbst verfügen.

Verwunderlich wäre ein Stopp in letzter Minute nicht gewesen. Schließlich verzichtet die Unionsregierung auf dringend benötigte Devisen, die zum eigenen Machterhalt nötig sind. Wenn Jelzin tatsächlich die Kontrolle über die gesamte Industrie erhielte, wäre er für die Wirtschaftsreform und ihre Folgen direkt verantwortlich — eine Rolle, die bisher Gorbatschow zufiel. Doch schon jetzt hat die Swerdlowsker Rüstungsschmiede „Uralmasch“ angekündigt, auch sie wolle in die Jurisdiktion der RSFSR übergehen. Bis die anderen Rohstoffindustrien, Öl und Gas, das gleiche Anliegen vortragen, ist nur noch eine Frage der Zeit.

Im Unterschied zur maroden Kohleindustrie, der erst mit Milliardensubventionen wieder auf die Beine geholfen werden muß, gehört diese Industrie zu den tatsächlich lukrativen Einnahmequellen, die den Löwenteil der sowjetischen Valutaeinnahmen erwirtschaften. Als Jelzin seinem Erzrivalen Gorbatschow das Versprechen gab, die streikenden Kumpel wieder an die Arbeit zu schicken, wenn andererseits die Industrie unter Republikaufsicht gestellt würde, mag das sein Hintergedanke gewesen sein. Denn wesentlicher als Entmachtung des Unionskohleministeriums wiegt, daß die Zentrale wegen der Finanzen künftig an die Türen der Republiken klopfen muß.

Bei dem überraschenden Einlenken Gorbatschows ist dennoch Vorsicht geboten. Die Bergarbeiter in Workuta und Nowokuznezk trauen dem Frieden nicht so recht und wollen erst an die Arbeit zurückkehren, wenn die Details der Übergabeprozedur geklärt sind. Die örtlichen Streikkomitees sollen heute über das weitere Vorgehen entscheiden. Anders als der triumphierende Jelzin, dem sie durch ihre politischen Forderungen den Rücken stärken wollten, bleiben sie mißtrauisch. Schon durch die Unterzeichnung des „Antikrisenprogramms“, das auch Notstandsmaßnahmen gegen Streikende vorsieht, geriet Jelzin gegenüber seiner Klientel selbst in erheblichen Erklärungsnotstand.

Der Chef des Unions-KGB, Wladimir Krjutschkow, gab gestern sein Placet zur Schaffung eines eigenen Sicherheitsdienstes der RSFSR. Ihm sollen vorerst 400 Mitarbeiter angehören, die zum Teil aus der KGB- Zentrale rekrutiert werden. Generalmajor Viktor Iwanenko wurde zum künftigen Leiter des russischen Sicherheitsdienstes bestellt. Auch dies mag Jelzin als einen Erfolg werten. Ob er bei seinen neuen Bewachern allerdings in sicheren Händen sein wird, bleibt dahingestellt. Denn noch vor zwei Monaten hatte er sich beklagt, selbst Opfer der KGB-Machenschaften zu sein.