Auf Samtpfötchen nach Irsee

■ Kanzler will unionsinternen Streit beim Gipfeltreffen mit der CSU-Spitze beilegen/ CSU mahnt konservatives Profil beim Paragraphen 218 an/ Umfrage zeigt schlechte Chancen für CSU bei Ost-Ausdehnung

Berlin (dpa/ap/taz) — Einen Tag vor dem Treffen im schwäbischen Irsee, auf dem CDU und CSU ihren internen Streit um das politische Profil und die künftige Strategie der Union austragen wollen, stehen die Zeichen auf Schlichtung. Aus der Umgebung des Bundeskanzlers verlautete, Kohl gehe mit der festen Absicht nach Irsee, den Streit mit der bayerischen Schwesterpartei beizulegen. Dennoch will Kohl in Irsee klarmachen, „daß er so nicht mit sich umspringen“ lasse, wie es CSU-Generalsekretär Huber mit seinen CDU-kritischen Interviews der letzten Tage vorgeführt hatte. Einen Anlaß für eine neue Strategie oder einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Unionspolitik sieht Kohl allerdings weder nach der Wahlniederlage in Rheinland-Pfalz noch nach dem Stimmungstief der Union in den neuen Bundesländern.

Die CSU erwartet ihrerseits, daß der Kanzler in der Außenpolitik sowie in der Abtreibungsfrage zu einer stärker konservativen Profilierung der Unionspolitik bereit ist. Nach dem Aderlaß der CDU durch die Abgänge von Albrecht, Späth und Wallmann verlangt die CSU auch eine personelle Erneuerung der Schwesterpartei. Zudem hatten führende CSU-Politiker in den letzten Tagen die mögliche Ausdehnung ihrer Partei über die bayerischen Grenzen hinaus ins Spiel gebracht. Bei diesem Thema kann die CSU allerdings kaum mit einem Entgegenkommen Kohls rechnen. Im Falle einer Ausdehnung der CSU etwa in die neuen Bundesländer hat die CDU ihrerseits mit zukünftiger Präsenz in Bayern gedroht.

Das Dilemma der CSU scheint kaum lösbar. Im vereinten Deutschland ist ihr bundespolitischer Einfluß geschrumpft, während die Union fünf neue Landesverbände hinzugewonnen hat. Die CSU tut sich schwer, das zu akzeptieren, kann sich andererseits nicht zu dem schwer kalkulierbaren Schritt einer Ausdehnung und damit einer direkten Konkurrenz mit der CDU entschließen.

Einer aktuellen Emnid-Umfrage in den fünf neuen Bundesländern zufolge ist das Zögern der CSU nur allzu begründet: Die Bayernpartei könnte derzeit selbst in den konservativen Hochburgen der ehemaligen DDR, Thüringen und Sachsen, mit maximal fünf Prozent Zustimmung rechnen. Zudem gingen die mäßigen Stimmengewinne der CSU im Osten voll zu Lasten der CDU. Damit würde sich das bundespolitische Stimmengewicht der CSU von derzeit 7,1 Prozent auf lediglich acht Prozent steigern — vorausgesetzt, die CDU verzichtete auf eine Kandidatur in Bayern.

Bei der inhaltlichen Diskussion in Irsee dürfte die Reform der Abtreibungsregelung eine zentrale Rolle spielen. Hier verlangt die CSU ein einheitliches Vorgehen der Union. In der CDU gibt es dagegen Überlegungen, mit zwei Gesetzesanträgen aus der Unionsfraktion in die Beratungen zu gehen. Dabei soll ein liberalerer Entwurf einen Weg zwischen der Fristenregelung in den neuen und dem Indikationsmodell in den alten Bundesländern eröffnen. Die CSU hingegen möchte die im Zuge der Vereinigung notwendige Neuregelung zu einer Verschärfung des Indikationsmodells nutzen.

Gespannt wird die FDP das Irseer Treiben verfolgen. FDP-Chef Lambsdorff übermittelte gestern seinen Koalitionspartnern gute Wünsche für eine Beilegung der Meinungsverschiedenheiten. Von Absetzbewegungen der FDP aus der Koalition könne keine Rede sein. Er, Lambsdorff, wisse, welche Koalitionen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse möglich seien. eis