„Aschu“: Revision gegen neues Urteil

Verfahren gegen die Gallionsfigur der Startbahn-Bewegung endete mit 18 Monaten Haft auf Bewährung/ Alexander Schubart soll immer noch für seine Rede von 1981 büßen  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Empört und aufgeregt, aber nicht gebrochen, verließ Alexander Schubart gestern nachmittag den alten Schwurgerichtssaal des Frankfurter Landgerichts. Der Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Richter Schieferstein verurteilte ihn wegen Landfriedensbruchs und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Ein Viertel der Kosten des inzwischen zehn Jahre dauernden Rechtsstreites bürdete er der Staatskasse auf. Damit muß der 60jährige Magistratsdirektor und Gegner der ersten Stunde des Ausbaus der Startbahn West am Frankfurter Flughafen nicht nur weiterhin den Verlust seiner Beamtenpension fürchten, sondern mit hohen zivilrechtlichen Forderungen des Verkehrsministeriums in Bonn rechnen.

Der Vorsitzende des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts erläuterte das Urteil nur eine halbe Stunde lang. Schubart habe am 14. November 1981 während einer Kundgebung in Wiesbaden mit dem Aufruf zur Blockade des Flughafens gewollt, daß es dort „dicht ist“. Er habe gewußt, „daß dies nicht ohne Gewalt ablaufen könnte“ und daß das Verhalten der Startbahngegner „von niemandem zu beherrschen war“. Dabei habe er „in einer Art Selbstüberschätzung“ den Staat zwingen wollen, nachzugeben. Schubart hätte als Jurist wissen müssen, „wo die rechtlichen Möglichkeiten endeten“. Die lange Verfahrensdauer habe er sich selbst zuzuschreiben, da er alle Instanzen genutzt und sich sogar schriftlich „damit einverstanden“ erklärt habe. Die Anwendung der Genfer Menschenrechtskonvention komme also für ihn nicht in Frage.

Im zweiten Teil des Urteils drängte sich der Eindruck auf, der Staatsschutzsenat hat hier nicht über Schubart zu Gericht gesessen, sondern über die Bundesanwaltschaft. In scharfen Tönen rügte Schieferstein deren Äußerungen im Rahmen der Hauptverhandlung. Der Senat habe „sich selbst vor den Vorwürfen bewahren müssen“, daß der Angeklagte „eine begünstigende Sonderbehandlung“ erfahre. Das Gericht verwahre sich gegen den Vorwurf des Opportunismus, der Rechtsbeugung oder der Strafvereitelung. Damit habe die Bundesanwaltschaft „mutwillig das Vertrauen in eine objektive Rechtsprechung untergraben“ und solle statt dessen „ihre eigene Einsichtsfähigkeit prüfen“.

Mit diesem Spruch reduzierte das Gericht eine 1983 in gleicher Instanz ergangene Haftstrafe von zwei Jahren. Schubart war damals schuldig gesprochen worden, außer Landfriedensbruch und Nötigung der Flughafenbesucher auch noch die Nötigung von Verfassungsorganen, nämlich der Landesregierung, begangen zu haben. Der Bundesgerichtshof stellte nun fest, daß weder eine Rede noch die von Schubart ausgelöste Demonstration als Druckmittel ausreichend seien, um die damalige SPD/FDP-Regierung dazu zu bewegen, den Ausbau der Startbahn West einfach zu stoppen. Für eine Verurteilung der Nötigung fehle „eine besondere Intensität der Zwangswirkung von Gewalt“ auf die zuständigen PolitikerInnen und Behörden. Also sei das Strafmaß zu hoch. Die Bundesrichter verwiesen das Verfahren zurück nach Frankfurt. Dieses Urteil wertete der damalige, inzwischen verstorbene Verteidiger Schubarts, Sebastian Cobler, immerhin als einen Sieg für die Meinungs- und Redefreiheit. Eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht brachte dann 1990 mit vier zu vier Stimmen die denkbar knappste Entscheidung gegen Schubart.

VertreterInnen der Startbahn- Bürgerinitiativen protestierten gestern energisch gegen das Urteil. Nicht sie seien es schließlich gewesen, die am 15. November, einen Tag nach dem Volksbegehren, vor dem Flughafen gewalttätig geworden seien, sondern die Polizei: „Damit sollen wir noch einmal geprügelt werden.“ Die Verteidiger Schubarts kündigten einen erneuten Gang zum Bundesgerichtshof an.