Stasi-Leute im Berliner Parlament?

Reinhard Schult vom Neuen Forum will drei ehemalige Informelle Mitarbeiter der Stasi kennen  ■ Aus Berlin Kordula Doerfler

Mindestens drei der insgesamt 241 Abgeordneten im neu gewählten Berliner Landesparlament sollen inoffizielle Mitarbeiter (IM) der Stasi gewesen sein: Mit dieser Mitteilung überraschte am Montag der fraktionslose Abgeordnete Reinhard Schult vom Neuen Forum in einer Sitzung des Innenausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses. Namen wollte Schult, der sich mit drei weiteren Parlamentariern des Neuen Forums nicht entschließen konnte, in eine gemeinsame Fraktion von Bündnis 90 und Alternativer Liste einzutreten, nicht nennen. Er befürchte sonst eine Anzeige wegen Verleumdung. Nach Schults Angaben soll es sich um drei aus dem Ostteil der Stadt stammende Parlamentarier aus verschiedenen Fraktionen handeln. Er wisse jedoch, wann sie unter welchem Decknamen für welche Abteilung gearbeitet hätten, gab Schult weiter an. Er habe außerdem Hinweise darauf, so der ehemalige Abteilungsleiter im Komitee zur Auflösung der Stasi weiter, daß weitere ehemalige Spitzel jetzt als Abgeordnete im Schöneberger Rathaus sitzen.

Die Äußerungen Schults führten im Ausschuß zu einer erneuten erregten Debatte über den Umgang des Berliner Parlaments mit der Stasi- Vergangenheit seiner Mitglieder. Bereits vor drei Wochen war im Rechtsausschuß ein Antrag der Regierungskoalition aus CDU und SPD angenommen worden, der eine Überprüfung nur auf freiwilliger Basis oder bei einem „begründeten Verdacht“ vorsieht; auch dann muß der Abgeordnete einer Überprüfung noch zustimmen. Vor allem für Westler ist eine Überprüfung brisant, droht ihnen doch ein strafrechtliches Verfahren, wenn sie der Arbeit für einen östlichen Geheimdienst überführt werden. In der Sitzung des Innenausschusses wurde der Antrag dann auch erneut gegen die Stimmen aller drei Oppositionsparteien PDS, FDP und Bündnis 90/Grüne durchgestimmt. Die Liberalen und Alternativen hatten eine grundsätzliche Überprüfung aller Abgeordneten — auch derer aus dem Westteil — gefordert.

Das Thema ist in Berlin ein Politikum ersten Ranges: Im ersten Gesamtberliner Parlament kommt knapp die Hälfte der Abgeordneten aus dem Ostteil der Stadt. CDU und SPD verfügen über eine veritable Mehrheit von 177 Stimmen, verkünden jedoch ständig großspurig, die Rechte der Opposition zu stärken. Zwar war von verschiedenen Ostberliner Abgeordneten der Regierungsfraktionen — darunter von Bürgermeisterin Christine Bergmann (SPD) — mehrfach in internen Sitzungen gefordert worden, eine generelle Überprüfung vorzunehmen. Gegen die Westler konnte man sich jedoch nicht durchsetzen und stimmte im Fraktionszwang.