Tempomacher Krause im Bonner Kabinett

■ Verkehrsminister Krauses Bescheunigungsgesetz für Verkehrsprojekte im Osten findet auch bei den Länderministern Zustimmung/ Umweltverbände empört über „dramatische Verschlechterung der Beteiligung von Betroffenen“

Berlin (taz) — Ernsthaft bezweifelt niemand mehr, daß Bundesverkehrsminister Günther Krause seine Pläne zum rasenden Ausbau der Verkehrswege in Ostdeutschland ohne größere Schrammen umsetzen kann. Heute wird das Kabinett in Bonn den Entwurf des sogenannten Beschleunigungsgesetzes passieren lassen, der die Realisierungszeit für Schnellstraßen und neue Schienenstränge von bis zu zwanzig auf drei bis fünf Jahre eindampfen soll.

Bereits am Montag holte sich Krause das Jawort der Länderverkehrsminister. Die EG sieht, das beteuert zumindest der Oberverkehrsplaner in Bonn, keinen Grund zum Einschreiten, obwohl die Euro- Richtlinien zur sogenannten Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mindestens tangiert sind. Einzig die Umweltverbände und Verkehrsinitiativen in Ost und West greifen das Gesetz wegen massiver Einschränkungen der Beteiligungsrechte der Bürger in ungewöhnlich scharfer Form an.

Als am Montag die Länderverkehrsminister über Krauses Gesetzentwurf brüteten, entspann sich eine grundsätzliche Kontroverse lediglich an der Frage, ob nicht gleich eine Regelung für alle Länder installiert werden sollte. Dafür stimmten unter anderem Nordrhein-Westfalen und Bayern, das sogar mit einem eigenen Entwurf für Gesamtdeutschland anreiste. Die Vertreter der Ostländer witterten Verzögerung statt Beschleunigung und stimmten mit Hilfe zweier Westländer den bayerischen Entwurf nieder. Das Interesse an einer Beschleunigung sei angesichts des drohenden Verkehrsinfarkts allgemein, meint etwa Michael Gaedtke, Sprecher des NRW-Verkehrsministers Franz-Josef Kniola. Über das Ob der Beschleunigung gebe es deshalb keinen Dissens, höchstens über das Wie.

So sehen das auch die Verkehrsplaner im rot-grün regierten Niedersachsen. Siebzehn Großprojekte in den neuen Ländern — neun Schienen-, sieben Straßen- und eine Wasserstraßenverbindung —, die nach Krauses Planungen direkt im Bundestag per „Maßnahmegesetz“ abgestimmt werden sollen, seien „im Kern unstrittig“, meinte gestern Gerd Aschoff, Sprecher des niedersächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministers Fischer. Ob und welche Verkehrsprojekte über diese bereits im Bonner Kabinett besiegelten Projekte hinaus von Krauses Beschleunigungsgesetz erfaßt werden, sei derzeit jedoch „völlig offen“. Bundesumweltminister Töpfer hat sich da bereits festgelegt: Außer für die 17 Verkehrsprojekte unter dem Titel „Deutsche Einheit“ dürfe das Beschleunigungsgesetz keinesfalls angewendet werden.

„Einiges im unklaren“ läßt der Krause-Entwurf bezüglich der konkreten Ausgestaltung der Projekte. In Hannover beispielsweise möchte die Regierung wissen, ob das gestraffte Genehmigungsverfahren auch jene Abschnitte von Betonpisten oder Schienensträngen umfaßt, die durch die alte BRD führen.

Während sich auf der politischen Ebene über das Beschleunigungsgesetz ein Konsens abzeichnet, sind Umweltverbände, Verkehrsinitiativen und die Abgeordneten von Bündnis 90/Grüne hell empört über Krauses „Verkehrsermächtigungsgesetz“. Die Einflußmöglichkeiten anderer Bonner Ministerien und die der Länder seien eingeschränkt, die Öffentlichkeit bei der gerade erst eingeführten UVP weitgehend ausgeschaltet, heißt es in der offiziellen Stellungnahme des BUND. Die Fristen im Rahmen der öffentlichen Auslegung im Planfeststellungsverfahren seien derart knapp bemessen, daß Bürger und Umweltverbände „kaum qualifiziert Stellung nehmen können“. Außerdem werde der Gerichtsweg auf nur eine Klageinstanz beim Bundesverwaltungsgericht verkürzt, eine aufschiebende Wirkung der Klage gebe es künftig nicht mehr. Deshalb sei zu befürchten, daß die beklagte Straße längst Wirklichkeit sei, wenn über eine Klage entschieden werde. Außerdem könnten die die Regelungen zur Grundstücksenteignung „auf deutsch nur kalte Enteignung“ genannt werden. Insgesamt, so das BUND-Resümee, stelle Krauses Beschleunigungsgesetz „ein dramatische Verschlechterung der Beteiligung von Betroffenen und Umweltverbänden an Verkehrswegeplanungen des Bundes dar“.

Mit einem Rechtsgutachten des Bremer Instituts für Umweltrecht versuchen der ökologisch orientierte Verkehrsclub der Bundesrepublik Deutschland (VCD) und die Umweltverbände, die EG-Bürokratie gegen das Bonner Gesetz in Bewegung zu setzen. Danach ist das Werk nicht vereinbar mit den UVP-Richtlinien der EG.

Ob die EG-Kommission über die Beschwerde im Sinne der Verbände entscheidet und den Europäischen Gerichtshof anruft, scheint nach der Entwarnung aus dem Krause-Ministerium vom Wochenbeginn eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist da schon, daß aus anderen Gründen der Verkehr im Osten nicht so rasend schnell in Gang kommt, wie Günther Krause sich das wünscht: Mehr als fraglich erscheint nämlich inzwischen, ob die Ostländer die teilweise aus den Westetats Richtung Osten umgelenkten Straßenbau-Milliarden wegen fehlender Planungen und Verwaltungskapazitäten überhaupt abrufen können. Gerd Rosenkranz