Ein Hochgenuß an Ästhetik

Immer mehr US-Amerikaner sind zu dick und fühlen sich dennoch schlank. Eine Untersuchung des Lebendgewichts, die das Louis-Harris- Institut durchführte, brachte das Fett ans Licht. Danach schleppen 64 Prozent der Bevölkerung, das sind immerhin 98 Millionen Menschen, ein ansehnliches Übergewicht durch die Gegend. Doch rund ein Drittel der Leute, die nach den Kriterien der Krankenversicherung als zu dick eingestuft wurden, bezeichnet sich selbst als normalgewichtig.

Mit dem ganzen Fett läßt sich eine schöne Stange Geld verdienen. Nach Schätzungen gibt es rund 35 Millionen Amerikanerinnen, die nur in Übergrößen passen. Die vergessene Frau nennt sich eine schicke Boutique im feudalen New Yorker Rockefeller Center. Konfektionsgröße 38 sucht frau in dem Laden vergebens, aber dicke Frauen, die bereit sind, tief in die Tasche zu greifen, können sich dort nach dem letzten Pfiff einkleiden. „Die vergessene Frau“, sagt Geschäftsinhaberin Nancye Radmin, „das war ich vor 13 Jahren, und es gibt dort draußen Tausende wie mich“, und alle wollen eingekleidet werden. Es gibt inzwischen mehr als 100 Spezialgeschäfte in den USA, die sich der Molligen annehmen. Die Kaufhäuser versuchen zudem, mit neuen Übergröße-Abteilungen diese Spezialkundschaft einzufangen. „Ich glaube, daß man früher die Vorstellung hatte, daß alle dicken Frauen arm sind und in Wohnwagen leben“, kommentiert Deborah Eden, Managerin des Frauenmagazins 'Big Beautiful Woman‘, die neue Geschäftemacherei.

Auf den Philippinen haben sie das alles noch nicht geschnallt. Manilas Polizeibeamte mit Hängebäuchen sind stinksauer und grollen ihrem Chef, Brigadegeneral Marino Filart. Denn mit einer neuen Uniformordnung zwingt Filart die Dicken in seiner Truppe zum rigorosen Abspecken durch Fasten. Filarts Trick sind auf Taille geschnittene Uniformhemden, über denen keine den Bauchspeck verhüllenden Jacken getragen werden sollen. „Diesmal muß der Mann zur Uniform passen, nicht umgekehrt“, verlangt der Chef. Manilas Polizisten will er alle zu einem Hochgenuß an Ästhetik machen.

Dies war nicht der erste Streich von Marino Filart, der ihn bei seiner paramilitärischen Polizeigarde unbeliebt macht. Erst Anfang des Jahres gab er den Befehl aus: Schnurrbart ab! Seiner Meinung nach würden Polizeibeamte mit Bart die Bevölkerung erschrecken, weil sie mit den Haaren unter der Nase wie Galgenvögel aussähen. Karl Wegmann