Prozeß um Ströbeles Äußerung vertagt

Berlin (taz) — Die Frage, ob der ehemalige Vorstandssprecher der Grünen, Christian Ströbele, in einem Telefongespräch mit dem grünen Kreistagsabgeordneten in Tübingen, Christian Vogt-Moykopf, gesagt hat: „Wenn ich eine Eskalation des Krieges damit verhindern könnte, daß eine Million Juden sterben müßten, würde ich das in Kauf nehmen“, ist Gegenstand eines zivilrechtlichen Prozesses geworden.

Christian Ströbele, der diesen Satz noch vor seinem Interview mit Henryk M. Broder, das auszugsweise auch in der taz abgedruckt war, und vor seinem Besuch in Israel geäußert haben soll, verklagte Christian Vogt-Moykopf auf Unterlassung der Wiederholung dieser Äußerung, mit der der Beklagte unter anderem im letzten 'Spiegel‘ zitiert worden ist.

Der offensichtlichen Schwierigkeit, etwas zu beweisen oder zu widerlegen, das in einem Telefonat geäußert wurde, möchte der Beklagte mit Zeugen begegnen, die ein zweites Telefongespräch zwischen Ströbele und Vogt-Moykopf mitgehört haben, in dem Ströbele auf die zitierte Äußerung Bezug genommen haben soll.

Beim gestrigen ersten Gerichtstermin in dieser Angelegenheit konnte eine Beweisaufnahme nicht geführt werden, weil weder Christian Ströbele noch die Zeugen des zweiten Telefonates anwesend waren; es wurde also vertagt.

Die anwesende personelle Besetzung war allerdings insofern nicht ohne Reiz, als sie von seiten des Gerichts identisch war mit jener des Prozesses Harich gegen Janka, über den die taz am 24.4. berichtete; identisch war ebenfalls die hemdsärmlige Attitüde des Richters, dessen Interesse weniger auf die zu ermittelnde politische Wahrheit als auf eine rasche Beilegung des Streitfalles gerichtet war.

In beiden Prozessen fiel der Satz „Die Wahrheit bekommen wir hier nicht raus, das wollte ich nur angedeutet haben“: damit wurden die Streitfälle, in denen es beiläufig einmal um die Frage geht, ob Harich oder Janka politische Denunzianten sind, und einmal um die nicht weniger brisante Klärung des Verhältnisses eines Grünen-Spitzenpolitikers zu Israel, auf die Ebene einer Auseinandersetzung herunterdefiniert, bei der Herr Müller seinen Nachbarn darauf verklagt, daß er das Herbstlaub seiner Bäume aus dessen Garten zu entfernen habe... Der zivilrechtlich typischen Pragmatik des Gerichtes mochten sich, wie schon im Falle Harich-Janka, weder Kläger noch Beklagter anzuschließen.

Die Unmöglichkeit, die Wahrheit justiziabel zu machen, schließt dieselbe für die Wirklichkeit schließlich nicht aus. es