: „Blumenkampagne“ zu Muttertag
■ Terre des Hommes erinnert an weibliche Arbeitsbedingungen der Blumenindustrie / Fleurop gewappnet
Eine „Blumenzeitung“ wollen Mitglieder der Menschenrechtsorganisation „terre des hommes“ am Sonntag vor dem Bremer Rhododendron-Park verteilen. Als Datum ihrer Aktion haben sie sich gezielt den Muttertag ausgesucht, den Tag, der den bundesdeutschen FloristInnen den größten Umsatz bei Schnittblumen bringt. „Liebe Leserin, lieber Leser“, beginnt der einführende Artikel und klärt auf: „haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wo alle die Blumen herkommen, die Sie überall kaufen können, egal zu welcher Jahreszeit? Wissen Sie, daß viele der farbenfrohen Sträuße täglich aus Ländern der Dritten Welt eingeflogen werden? Wer weiß schon, zu welchen Hungerlöhnen Blumenarbeiterinnen in Kolumbien, Kenia und anderswo arbeiten müssen? Wer weiß schon, daß dort giftige Pflanzen'schutz'mittel die Gesundheit der Arbeiterinnen schädigen und die Umwelt zerstören?“ Martha Rodriguez, Regisseurin des Films „Blumenfrauen“, den die Bremer Terre des Hommes Gruppe am Dienstag in Bremen zeigte, benennt die Zustände in Kolumbiens Schnittblumenindustrie noch drastischer: „In einer psychiatrischen Klinik traf ich vor Jahren auf eine junge Frau, die ständig schrie: Ich bring' sie um! Sie litt unter furchtbaren Angstzuständen. Sie erzählte mir, daß sie in der Blumenindustrie gearbeitet habe. Bei meinen Recherchen fand ich heraus, daß sie kein Einzelfall war. Die verwendeten Pestizide haben bei zahlreichen Frauen das vegetative Nervensystem zerstört, viele sind an Asthma, Epilepsie, Depressionen und Leukämie erkrankt. Die Männer und Frauen sterben, ohne daß jemand Interesse an der Aufklärung der Ursachen hat.“
Die „Blumenkampagne“ ist bundesweit ausgerufen. Außer Terre des Hommes und Brot für die Welt sind noch vier weitere Solidaritätsorganisationen und Hilfswerke beteiligt. Die Organisation der BlumenfachhändlerInnen hat sich der Herausforderung angenommen. Im „Fleurop magazin“ vom April 1991 wird warnend darauf hingewiesen, daß eine ähnliche Kampagne in der Schweiz im vergangenen Jahr zu „Umsatzeinbuße und Imageverlust“ geführt hat: „Stellt sich die Frage, wie Floristen bei eventuellen Aktionen operieren und reagieren können. Auf keinen Fall sollten sich bei eventuellen Aktionen die Geschäftsinhaber dazu hinreißen lassen, mit Vehemenz gegen die Aktion einzuschreiten. Dies würde den Aufmerksamkeitswert der Aktion für die Presse nur erhöhen.“
Einen „Blumenboykott“ wollen die InitiatorInnen der „Blumenkampagne“ nicht ausrufen. Denn die kolumbianischen Arbeiterinnen haben dieses Mittel ausdrücklich verworfen. Ein Boykott würde ihren Arbeitsplatz und damit ihre Existenz gefährden. Die „Blumenfrauen“ fordern stattdessen, daß der Pestizideinsatz in ihren Treibhäusern rigoros reduziert wird, daß sie Organisationsfreiheit und höhere Löhne bekommen. Christa Dürr (Terre des Hommes Bremen) schätzt, daß es durch die „Blumenkampagne“ zu Umsatzeinbußen bei Import-Schnittblumen aus der Dritten Welt kommen wird und daß sich dadurch die Unternehmer etwa in Kolumbien um einen sensibleren Umgang mit Pestiziden und Arbeitsschutz gezwungen sehen werden: „Da wird der Markt flexibel drauf reagieren.“
Die BlumenhändlerInnen in ihrer Zeitschrift „Fleurop magazin“ befürchten Schlimmes: „Unklar ist bei dieser Argumentation, was denn die zu erwartenden Aktionen bewirken sollen. Tatsache ist doch: Wenn Verbraucher bei einer Demonstration vor einem Blumenfachgeschäft auf die Problematik hingewiesen werden, werden sie nicht nur nachdenklich, sondern vom Blumenkauf gänzlich absehen, auch wenn das Ziel der Aktion eben solch ein Boykott nicht ist.“ Fleurop hat eigens Plakate und Handzettel entworfen, die die FloristInnen den „kritischen Verbrauchern“ überreichen sollen. Christa Dürr (Terre des Hommes, Bremen) berichtet, daß einige regionale Floristenverbände sich jedoch der „Blumenkampagne“ angeschlossen hätten, aus dem Interesse heraus, den Pestizideinsatz zurückzuschrauben. Leider habe sich der Vorsitzende der Bremer Floristen auf ihr Anschreiben hin nicht gemeldet. B.D.
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