Sowjetisches Comeback

■ Für die UdSSR sind diplomatische Beziehungen zu Israel jetzt eine Frage des "timings"

Sowjetisches Comeback Für die UdSSR sind diplomatische Beziehungen zu Israel jetzt eine Frage des „timings“

Gewiß: Der erste Besuch eines sowjetischen Außenministers in Jerusalem ist ein Ereignis von großer symbolischer Bedeutung. Ein völlig neues zwischenstaatliches Verhältnis soll bestätigt, ein dicker Strich unter die düstere Vergangenheit gezogen werden — ein Neuanfang, der für beide Seiten vorteilhaft sein könnte. Die Abwesenheit diplomatischer Beziehungen hat die beiden Staaten aber auch in der Vergangenheit nicht daran gehindert, vielfältige wirtschaftliche und kulturelle Kontakte zu knüpfen. In jüngster Zeit waren die sowjetisch-israelischen Beziehungen sogar besser als vor dem Sechs-Tage-Krieg. Damals, im Juni 1967, wurden die diplopmatischen Beziehungen abgebrochen. Erst im Sommer 1986 kam es zu einer ersten politischen Kontaktaufnahme in Helsinki. Seit 1988 besteht eine Konsularmission in Moskau, die Visa für auswandernde Juden ausstellt.

Auch wenn bei dieser „historischen Gelegenheit“ die von der israelischen Regierung erwarteten und erhofften vollen diplomatischen Beziehungen mit der UDSSR noch nicht aufgenommen wurden, wird der Besuch von Alexander Bessmertnych als wichtiger Schritt zur Normalisierung der politischen Beziehungen angesehen.

Das sowjetische Zögern bei der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen hat mit der Berücksichtigung einer Reihe regionaler und globaler Interessen zu tun. Die Wahl des Zeitpunkts für den tatsächlichen Austausch der Botschafter, über den zu bestimmen Bessmertnych freie Hand hat, ist von großer Bedeutung: Das richtige „timing“ könnte die israelische Regierung zu Konzessionen beim Zustandekommen der geplanten Nahost-Konferenz zwingen.

Als Co-Sponsor einer solchen Konferenz und als Anrainerstaat der seit vielen Jahren zerstrittenen und hochgerüsteten Region ist Moskau natürlich am Gelingen dieses gemeinsamen sowjetisch-amerikanischen Unternehmens interessiert. Für die sowjetische Diplomatie bedeutet dies einen wichtigen Neuanfang im Nahen Osten, um so mehr, als die sowjetische Nahostpolitik der Nachkriegszeit zahlreiche Niederlagen erlitten hat.

Israel und die arabischen Staaten sind sich der gegenwärtigen Schwäche der Sowjetunion wohl bewußt, wissen jedoch gleichzeitig, daß sie auch weiterhin ein Machtfaktor im Nahen Osten bleiben wird. Für den langfristigen Erfolg der Konferenz ist entscheidend, daß sich möglichst alle Seiten, die an einer friedlichen Beilegung der regionalen Konflikte interessiert sind, mitarbeiten.

Für Israel ist jedoch vorrangig, daß der Strom jüdischer Auswanderer aus der Sowjetunion nicht abreißt. Israels Ministerpräsident will durch eine Festigung der sowjetisch-israelischen Beziehungen vor allem eines erreichen: Nach Israel auswandernde sowjetische Juden sollen direkt nach Tel Aviv fliegen können. Amos Wollin