Neue Töne aus dem Bergwerk

Nach der Vereinigung sieht die „Männergewerkschaft“ IG Bergbau und Energie weiblicher aus IGBE-Chef Hans Berger verteidigt seine Äußerungen zur Kernenergie/ Möllemann will Stellenabbau  ■ Aus Dortmund Walter Jakobs

„Der § 218 ist ein Instrument zur Unterdrückung der Frauen“. Eine nicht gerade brandaktuelle Erkenntnis, doch daß dieser Satz am Freitag auf dem Kongreß der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IGBE) in Dortmund fiel, signalisiert etwas tatsächlich Neues: Die Zeit der alten „Männergewerkschaft“ IGBE ist abgelaufen. Mit der Vereinigung kamen 250.000 neue KollegInnen — über ein Viertel davon Frauen — und die meldeten sich vehement zu Wort.

Die brisanteste Diskussion des Kongresses rankte sich jedoch um die Frage der Zukunft der heimischen Kohle und das Verhältnis der IGBE zur Kernenergie. In dem am Freitag beschlossenen Leitantrag hört sich das alles ganz einfach an: Gefordert wird „die vorrangige Deckung der Primärenergie durch die heimische Stein- und Braunkohle“. Zur Kernenergie heißt es wörtlich: „Ein Verzicht auf den Einsatz der Kernenergie ist in dem Maße möglich, wie es gelingt, eine Energiepolitik zu gestalten, die auf der Basis heimischer Energieträger eine stets sichere, zuverlässige und umweltverträgliche Versorgung mit Energie ermöglicht. Dies muß so rasch wie möglich geschehen“. Eine Formulierung, mit der diejenigen, die für einen „Energiemix aus Kohle und Kernenergie“ eintreten, gut leben können.

Der Appell des Atomenergiegegners Georg Bückle, den Antrag zu präzisieren und „die Verantwortlichen deutlicher aufzufordern, den Ausstieg aus der Kernenergie endlich zu beginnen“, blieb ohne Resonanz. Schon am Donnerstag hatte der IGBE-Vorsitzende Hans Berger den kompromißlosen Ausstiegsbefürwortern den Marsch geblasen. Wer einen Konsens auf Basis des sogenannten Mikat-Gutachtens in der Energiepolitik wolle, müsse zur Kenntnis nehmen, daß dieses „auch die Kernenergie zum Inhalt habe“. Das Mehrheitsvotum der Mikatkommission, von führenden SPD-Politikern wie Johannes Rau begrüßt, sieht vor, die Steinkohleförderung von jetzt 71 Mio. Jahrestonnen bis zum Jahr 2005 auf dann 55 Mio. Jahrestonnen zu senken. Abgesetzt werden kann die deutsche Steinkohle, die pro Tonne etwa 150 Mark teurer ist als Importkohle, nur durch vertragliche Regelungen mit der Energiewirtschaft.

Der gültige Jahrhundertvertrag, der die Verstromung von 41 Mio. Jahrestonnen sichert, läuft 1995 aus. Pro Jahr erfordert die Steinkohle etwa 10 Milliarden Subventionen, die eine Hälfte steuern die Finanzminister bei, die andere die Stromkunden über den sogenannten Kohlepfennig, der sich auf 5,3 Milliarden summiert. Ohne diese Vereinbarung, so der IGBE-Chef in einem leidenschaftlichen Appell an die Delegierten, „gäbe es keine deutsche Steinkohle in Kraftwerken mehr“. Von den 130.000 Arbeitsplätzen im Steinkohlebergbau bliebe dann nicht einmal die Hälfte übrig. Zustandegekommen sei der Vertrag aber nur, weil es einen Konsens mit der Energiewirtschaft gegeben habe. Wenn es dazu nicht erneut komme, „fahren wir in den Abgrund“, sagte Berger. In den Vorstandsetagen der Energiewirtschaft säßen Leute, „die sagen: Kohle ja, aber mit Kernenergie“. Darauf habe sich die IGBE einzustellen. Die „andere Seite“ wolle eine „Garantie des Status quo“ und erwarte insbesondere von den Sozialdemokraten „Zugeständnisse“. In dieser Situation sei die IGBE-Führung gefordert gewesen, die energiepolitische Debatte zu beginnen.

Während das Mikatgutachten für das Jahr 2005 noch 55 Mio. Jahrestonnen vorsieht und das eigene Optimierungsprogramm der Bergbaus von 58,7 Mio. Jahrestonnen ausgeht, was den Verlust von 30.000 Arbeitsplätze bedeutet, will Bundeswirtschaftsminister Möllemann die Förderung noch wesentlich weiter herunterfahren. Selbst die durch den bis 1995 geltenden Jahrhundertvertrag garantierten Mengen stehen für den FDP-Minister schon heute zur Disposition. Auf dem Dortmunder Kongreß ist Möllemann dadurch die Rolle des bösen Buben der deutschen Politik zugefallen. Ungeachtet dessen bekräftigte der Minister am Freitag in Berlin die Notwendigkeit, im westdeutschen Steinkohlebergbau Stellen abzubauen.