Ein Goebbels in Thüringen

■ Die thüringische CDU lernt bei Kohl und strapaziert seinen Goebbels-Vergleich

Erfurt (taz) — Ein Goebbels ist er nun wirklich nicht, der Klaus Hoepke von der „Partei des Demokratischen Sozialismus“, kurz: PDS. Die CDU freilich will es uns glauben machen. Alle paar Jahre wieder unternimmt sie den Versuch, das tote, braune Lügenmaul auferstehen zu lassen. Erst der Goebbels-Gorbatschow-Vergleich von Bundeskanzler Helmut Kohl, vorgestern nun zielten seine Enkel aus den neuen Bundesländern auf Höpke von der PDS, seines Zeichens Fraktionsvorsitzender seiner Partei im thüringischen Landtag, und entlarvten ihn als neuen Goebbels.

Anlaß des Vergleichs: Bei der Besetzung des Kuratoriums für Politische Bildung, zu der jede Fraktion ein Vorschlagsrecht besitzt, bestimmten die unseligen Leute der PDS keinen anderen als ausgerechnet Hoepke, unter Erich Honecker lange Jahre stellvertretender Kulturminister der DDR. Zwar wurde der Vorschlag noch vor der Landtagssitzung zurückgezogen und der PDS/Linke Liste-Abgeordnete Jörg Pose nominiert, doch für den CDU-Parlamentarier Schulz war das Ereignis Anlaß genug, mit dem einstigen auf ewig verbündeten und heutigen Todfeind abzurechnen. Hoepke, so Schulz, sei der Zensor eines totalitären Systems gewesen, wie es auch Goebbels war.

Eigenartig nun die Haltung der PDS-Abgeordneten. Sie zogen nicht etwa aus dem Landtag. Sitzen blieben die Ärmsten, darunter Hoepke, der schwieg wie ein überführter Bettnässer. Irgendwie hatte es den Mann doch getroffen. Denn man kann ihm sehr viel nachsagen, aber ein Goebbels ist er nun wirklich nicht. Jener suizidierte Nazi-Klumpfuß nämlich war schrecklich, Hoepke dagegen langweilig, ziemlich bieder, karrieristisch auch und damals halt ohne jeden Mut zur Veränderung — den die einstige Blockpartei CDU, wie wir alle wissen, in der untergegangenen DDR unaufhörlich besaß.

Hoepke hat im Zweifelsfall meistens gegen die armen Autoren entschieden. Schließlich saß ihm ja der furchtbare Kurt Hager, damals im Politbüro für Kultur und Ideologie zuständig, schwer im Nacken. Die „christlichen Demokraten“ dagegen haben im Zweifelsfall nicht für einen einzigen Autoren oder Künstler in der ehemaligen DDR interveniert. Auch der Autor dieses Artikel hätte eine Bücherrechnung mit Hoepke offen, was ihn aber dennoch nicht veranlaßt, dem unchristlichen Beispiel der christlichen Demokraten zu folgen.

Ich jedenfalls sammle glühende Kohlen auf das Haupt des ehemaligen stellvertretenden DDR-Kulturministers und vergebe, weil er zur Zeit jedenfalls den Mut besitzt, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Er schwadroniert eben nicht mit der gleichen Schamlosigkeit wie seine heutigen Kritiker vom damaligen Widerstand und unvermeidlichen Zwangssituationen. Er war karrieristisch und wie die meisten Ehemaligen gegenüber den noch Mächtigeren ein Hasenfuß.

Ganz anders dagegen die Ost-CDU. Die hat in den vierzig Jahren Tag für Tag dem stalinistischen System die Maske von der Visage gerissen. Man könnte es glauben, wenn man den thüringischen CDU-Innenminister Willibald Böck aufmerksam zuhört.

Ihm war dann auch die Erwiderung der PDS-Fraktion gewidmet. Sie verwies rachsüchtig auf den Weg dieses einstigen CDU-Blockbürgermeisters von Bernderode, einem Eichsfeldort, stand er doch dort als oberster Repräsentant an der Spitze des Rates. Und auch davor litt er schon. Als Lehrer an der DDR. Ob und wie seine Schüler gelitten haben, steht auf einem anderen Blatt.

Henning Pawel