Das „korsische Volk“ darf es nun doch nicht geben

■ Verfassungsrat in Paris verwirft Autonomiegesetz für Korsika/ Die französische Nation ist „unteilbar“

Paris (afp/dpa/taz) — „Es gibt nur ein französisches Volk“, beschloß am Donnerstag der Verfassungsrat in Paris — und erkannte damit den BewohnerInnen Korsikas ihre soeben erst errungene staatliche Anerkennung als „Volk“ ab. Erst im vergangenen November hatte die Nationalversammlung ein Gesetz gebilligt, das den KorsInnen eine größere Autonomie zugestand. Es sah die Schaffung eines Regionalparlamentes und einer Regionalregierung vor, die im kommenden Jahr gewählt werden sollte. Doch so weit sollte es nicht kommen. Die Formulierung vom „korsischen Volk“ ging der bürgerlichen Mehrheit im Senat entschieden zu weit. Die Neogaullisten befürchteten „Separatismus“ und riefen — zur Rettung der Grande Nation — den Verfassungsrat auf den Plan. Der Gesetzentwurf war ein Versuch, den seit Jahren schwelenden Konflikt um die Mittelmeerinsel beizulegen. Die korsischen Institutionen sollten weiterreichende Vollmachten und eigene Finanzmittel aus Steuereinnahmen erhalten. In dem meistumstrittenen Artikel eins des Gesetzentwurfes „garantiert die französische Republik der lebenden historischen und kulturellen Gemeinschaft des korsischen Volkes, Bestandteil des französischen Volkes, die Rechte zur Wahrung ihrer kulturellen Identität und zum Schutz ihrer besonderen wirtschaftlichen und sozialen Interessen“.

Die neun Weisen des Verfassungsrates hingegen erklärten mit der Autorität der letzten Instanz alle „Unterschiede nach Herkunft, Rasse oder Religion“ schlicht für inexistent. Die Formulierung vom „korsischen Volk“ sei deswegen verfassungswidrig. Frankreichs Innenminister Philippe Marchand, dessen Vorgänger Pierre Joxe das nun ungültige Gesetz im vergangenen Jahr eingebracht hatte, will klein beigeben. Er werde die Entscheidung des Verfassungsrates akzeptieren, sagte er gestern. Was die mit Bomben und Gewehren gegen den „französischen Kolonialismus“ kämpfenden korsischen Separatisten von dem Entscheid des Verfassungsrates halten, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. dora