Schlechte Stimmung bei Ost-Berlins Polizei

■ Ein Dreivierteljahr nach der Einheit wissen viele Polizisten immer noch nicht, ob sie in die Gesamtberliner Polizei aufgenommen werden/ Unmut über Fehler in der Gehaltsabrechnung

Prenzlauer Berg. Zukunftsängste, anhaltende Pannen bei Gehaltszahlungen und eine stark gestiegene Kriminalität: die Stimmung der Schutzpolizisten des Abschnitts Prenzlauer Berg in Ost-Berlin ist an einem Tiefpunkt angelangt. Zwei Drittel der etwa 350 Polizisten, die in dem dreistöckigen Backsteingebäude an der Schönhauser Allee neben dem alten jüdischen Friedhof ihre Schicht schieben, waren schon zu »Hammer- und-Sichel-Zeiten« dabei. Jetzt fühlen sich die ehemaligen Volkspolizisten als Verlierer der Vereinigung. Eine ganze Reihe spricht davon, den Dienst zu quittieren. »Die Stadt muß sich darauf einrichten, daß eine Kündigungswelle auf sie zukommt«, warnt deshalb der Abschnittschef, Polizeirat Peter Zeißler.

Viele Schutzpolizisten beklagen, daß sie immer noch nicht wissen, ob sie in die Gesamtberliner Polizei übernommen werden oder nicht. Zwar wird zur Zeit ein siebenseitiges, von Innensenator Dieter Heckelmann unterzeichnetes Informationsschreiben an die ehemaligen Vopos verschickt, in dem für spätestens Anfang Juni Klarheit über die persönliche Zukunft angekündigt wird. Die Überprüfungskommissionen werden dann ihre Arbeit beendet haben. Vom 1. Juli an soll es sechzig Prozent des Westgehaltes geben. Doch wie der Verdienst nach geglückter Übernahme aussieht, können die meisten nur schwer abschätzen, da sie ihren alten Rang nicht behalten werden. So kann etwa ein ehemaliger Hauptkommissar bis zum Polizeimeister zurückgestuft werden. Unmut herrscht auch über Fehler bei der Gehaltsabrechnung. Ein verheirateter Hauptwachtmeister mit vierköpfiger Familie berichtet, daß er seit Januar kein Kindergeld erhalten habe.

Sorge macht den Polizisten auch die gestiegene Kriminalität in ihrem Abschnitt. Zwanzig und mehr Einsätze pro Zwölf-Stunden-Schicht sind die Regel. Zugenommen haben besonders Ladendiebstähle und Verkehrsunfälle, erzählen sie. In alten DDR-Zeiten wurden viele Bagatelldelikte gar nicht von der Polizei bearbeitet — auch daher kommt der Arbeitszuwachs. Jeweils ein West- und ein Ostpolizist fahren zusammen Streife. Feste Teams haben sich gebildet, denn »man muß sich blindlings vertrauen könnnen«, meint Kommissar Matthias Daßler (30).

Aus dem Westteil der Stadt kommende Beamte versehen oft wenig begeistert den Dienst im Abschnitt Prenzlauer Berg, der mit rund 2.800 Funkwageneinsätzen pro Monat hinter der Charlottenburger Innenstadtwache an zweiter Stelle in Berlin liegt. »Starke Alkoholprobleme« der Bürger und ein »hohes Gewaltpotential« sind einem 35jährigen Polizeiobermeister aufgefallen, der jahrelang im Wedding gearbeitet hat. Die neuen Kollegen seien »einsatzwillig«, er selbst war »positiv überrascht«. Christian Böhmer