Schwusos schwelgen auf der Nudelparty

■ Über 150 Teilnehmer fuselten beim ersten Gay & Lesbian Run Meeting, dem Läufertreffen für und von Schwulen und Lesben

Berlin (taz) — Die Zeit zwischen den „Gay Games“ in Vancouver und New York (1994) war den SportlerInnen vom schwulen „Vorspiel“ und dem Frauen-/Lesben-Sportverein „Seitenwechsel“ zu lang geworden. So veranstalteten sie ihr eigenes „1.International Gay & Lesbian Run Berlin (Läufermeeting)“ auf dem Sportplatz Vorarlberger Dammm in Berlin.

„Laufen können fast alle“, meinten sie. 150 LäuferInnen zwischen 18 und 55 kamen und starteten in fünf Altersklassen und einer offenen Klasse und vergaßen darüber die noch schwelenden Querelen mit dem Landessportbund, der so komische Vereine nicht in seinen Reihen dulden will. Mit dem Meeting wollte man vor allem auch die ansprechen, „die in ihrem Alltag selten oder gar nicht die Möglichkeit haben, mit anderen Schwulen und Lesben Sport zu treiben“.

Erfreulicherweise hatte der Regen genau zu Beginn der Wettkämpfe aufgehört. Ab und an schaute die Sonne so lange heraus, daß die rote Aschenbahn sogar ein wenig dampfte. Daneben werden die Erlebnisse der gestrigen „Nudelparty“ erörtert, mit der die Aktiven in einer Grunewalder Gaststätte begrüßt wurden. „Im Nudelsalat sind all die Sachen drin, die ein Sportler so braucht.“

Andere tuscheln von sympathischen Gastgebern, die einem das Frühstück ans Bett bringen, während man selber noch mit „Kuscheln“ beschäftigt war. Der Gastgeber kriegt dafür hundert Rosen! Ein Scherz jagte den nächsten, „na, wo laufen sie denn“, die Läufer auf der Aschenbahn werden ausgiebig bewundert, „sieht der nicht schick aus“, „ist der aber schnell“ und „das Leistungsniveau ist beachtlich hoch“, meint Jürgen Kulmey vom „Vorspiel“. Der ehemalige deutsche Crossmeister, Robert Freimark, der den Schwulensport zu seiner Sache gemacht hat, war leider kurzfristig krank.

Am meisten beklatscht wurde der, der sich mit einer Runde Verspätung doch noch ins Ziel brachte und dann auch mehr Recht als andere auf die pflegende Massage von Klaus, dem Masseur, hat. Besorgt mahnt ein Läufer der leider etwas aus der Mode gekommenen „Schwedenstaffel“ (400, 800, 400, 600, 200) seine Mitläufer, sich nicht zu verausgaben.

Zehn Kollegen vom Schwulen Fernsehkanal rennen über den Platz und finden sich schnell bereit, bei der Schwedenstaffel mitzulaufen, werden aber doch noch in der letzten Runde von der „Badminton- Gruppe“ abgefangen. „Schwusos“ mit roten Schirmmützen werden Dritte; etwas später eilen „Dienstagsturngruppe“ und fünf „Christels von der Post“ ins Ziel. Begeistert schwenken Ingos FreundInnen ein Transparent: „Ingo, Ingo!!“ Ein wenig ist es wie bei den Bundesjugendspielen.

Am Imbiß trauern währenddessen heterosexuelle Junggesellen ihrer eigenen Aktivenzeit hinterher und wollen lieber nicht verraten, was sie von „denen da drüben“ halten. Da drüben fragen sich neugierige Familieninsassen, was denn ein „Gay & Lesbian Run“ sei. Auf einem Nebenplatz spielen ein paar Frauen Faustball (daß es das noch gibt), andere fahren mit Rollschuhen Pirouetten, und auf einem weiteren Platz machen sich LäuferInnen zu den Klängen von „a love surpreme“ zum 10.000-Meter-Lauf warm. Ein paar „Normale“ schauen bei den „Exoten“ vorbei, und ein paar „Exoten“ stehen beim Minibubipunktspiel und staunen über hektisch rauchende Trainer, die ihre kleinen „Männer“ pausenlos anbrüllen: „Feuern, Feuern!“

Das Läufermeeting sei „genial“ und die Zusammenarbeit mit den Männern hervorragend, meint Manuela Giertz vom Organisationskomitee. Leider kamen aber nur 20 Frauen. Gerade bei den Kurzstrecken seien nicht so viele organisiert, manche hätten auch keine Lust, mit Männern zu laufen, und vielleicht bräuchte es noch „fünf Jahre“ bis sich das ausgeglichen habe.

In jedem Fall aber würde man viel voneinander lernen — die Männer würden erkennen, daß nicht alle Frauen „tussig“ sind, und die Frauen würden begreifen, daß nicht alle Männer „macho“ sind. Die Urkunden, die man/frau gemacht hat, „damit die Offiziellen was zu überreichen haben“, wurden beim samstagabendlichen Fest allerdings ausschließlich von offiziellen Frauen (Bezirksbürgermeisterinnen etc.) vergeben. Detlef Kuhlbrodt