Der Kampf der Platzhirsche

■ Europacup der Handballerinnen als Duell der Chefs: Lützellindens Coach besiegte Wiens Manager

Wien (taz) — Wiener Abgesang: Nicht etwa das teuer zusammengekaufte Handballerinnen-Team der Wiener Südtstadt holte den Europapokal der Meisterinnen — die Show samt Pokal wurde gestohlen von den Frauen aus Lützellinden. Die nämlich hatten bereits im heimischen Gießen das Hinspiel mit 21:15 gewonnen, so daß die 22:25-Niederlage in Wien zum Sieg reichte.

Dabei wollten die Wahl-Österreicherinnen zu gerne den Hattrick schaffen. Schon 1989 und 1990 hatte die Hypo-Bank-Mannschaft um Manager Gunnar Prokop den Cup erworben. Doch diesmal spielten die Bänkerinnen praktisch ohne linken Flügel, wo pikanterweise die Tochter von „Zampano“ Prokop (für die Pappi doch die teueren Frauen aus aller Welt zusammengekauft hatte) im Einsatz war. Zu nervös, mit zu vielen Ballfehlern begannen die Wienerinnen. Gleich in der zweiten Minute verwarf die schwangere Spielmacherin Jasna Kolar einen Siebenmeter, es sollten noch zwei folgen.

Das Spiel wankte hin und her. Lützellinden spielte mit einer sehr guten Deckung und viel Bewegung im Angriff. Das letzte Tor in der Schlußminute zum 25:22 war jedoch der Wienerin Jasna Kolar vergönnt. Nach dem Lützellinder Sieg brach in der 2.000 Zuschauer fassenden Halle die Hölle los. Tränen hier und Tränen da. Liliana Topea, erfolgreichste Werferin der Deutschen, weinte vor Glück. Auf der Gegenseite flossen bei Jasna Kolar die Tränen vor Enttäuschung. Champganer spritzte um die deutsche Bank, Trainer Jürgen Gerlach herzte seine Lieblinge, während sich Gunnar Prokop unauffindbar und deprimiert in ein Kämmerchen zurückzog.

Gerlach und Prokop: zwei Napoleone auf dem Handballfeld. Beide sind ehrgeizig, wollen siegen. Prokop, Leiter des Bundessportzentrums Südstadt, kaufte sich ein Team zusammen. Gerlach, von Beruf Orthopäde, fiebert seit zehn Jahren mit Lützellinden dem Europacup-Titel hinterher: „Ich habe viel Zeit und physische Kraft in den letzten zehn Jahren verloren, aber das hat sich ausgezahlt.“ Im März koppelte er sein Team vom TV Lützellinden ab und gründete eine GmbH.

„Ab dann ging es etwas leichter, zuerst war ich ja immer und überall“, tönt Gerlach. Leidvoller Blick von Prokop, der sich selber um alles kümmern muß. Bei beiden geht nichts ohne Emotion. Während des Matches schreien, gestikulieren und schimpfen sie. Aber zwei Sachen unterscheidet sie trotzdem: Gerlach sitzt am Drücker. Er hat eine junge, bissige Truppe. „Bei mir kann jede die Verantwortung übernehmen. Ob Kittler, Wolf oder Topea, alle sind bereit“, erklärt er. Gegenpart Prokop muß zugeben: „Das Spiel von uns ist zu sehr auf Kolar zugeschnitten.“

Doppelte Ironie des Schicksals: Kolar, die im vierten Monat schwanger ist, verabschiedet sich für eine Weile vom Handballsport. Laut Prokop zeichnete sich der Verfall seines Teams („Wir sind keine Mannschaft mehr“) schon im Laufe der Saison ab. Trainerprobleme, Sandor Vass wurde durch Vinko Kandija abgelöst, taten ein Übriges. Gerlach, ein Schüler von Kandija, nützte seine Bekanntschaft mit dem jugoslawischen Trainer bestens aus. „Ich habe ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen“, schmunzelt er. Zweiter Unterschied: Prokop versteht es besser, die Feste zu feiern. Während der Sieger Gerlach beim Bankett schon um zehn Uhr das Weite suchte, „ertrank“ der Österreicher seinen Frust bis in die frühen Morgenstunden. Markus Huber