Bonner Gerangel um Hallenser Eierwürfe

Bonn (dpa/ap/taz) — Die Eier und Farbbeutel, die Bundeskanzler Helmut Kohl bei seiner Visite in Halle trafen, haben nicht nur den Kanzler, sondern auch andere führende Unionspolitiker in helle Aufregung versetzt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Friedrich Bohl forderte von SPD-Chef Vogel und seinem designierten Nachfolger Engholm eine öffentliche Entschuldigung für die Übergriffe. Andernfalls seien die gemeinsamen Arbeitsgruppen zwischen der Regierung und der SPD in Frage gestellt. Die 'Bild‘- Zeitung hatte die örtlichen Jungsozialisten als Rädelsführer der Hallenser Rangelei ausfindig gemacht. Der Juso-Vorsitzende war nach der Demonstration von der Polizei verhört worden, ohne daß ihm eine Beteiligung an den Angriffen nachgewiesen werden konnte.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion Müntefering warf „Kohls Schlammwerfer Bohl“ unterdessen vor, ohne Kenntnis der Fakten, die Verantwortung auf die SPD abzuschieben und regte eine „exakte, autorisierte Auswertung“ der vorhandenen Videoaufnahmen an. Diese werde bestätigen, daß die Jusos nicht an den Ausschreitungen beteiligt gewesen seien. Zugleich verurteilte Müntefering die „extremistischen Ausschreitungen“ gegen den Kanzler. Doch das „wirklich dicke Ei“ sei eben der Wortbruch des Kanzlers nach den Illusionen, die er im Osten leichtfertig geweckt habe. Für Friedrich Bohl sind die Übergriffe dennoch kein Problem des Kanzlers, sondern der SPD. Das allerdings hatte am Freitag vor Ort noch ganz anders ausgesehen. Nachdem Kohl unter „Lügner, Lügner“-Sprechchören von mehreren Wurfgeschossen an Kopf und Schulter getroffen worden war, entwandt er sich wutentbrand der Obhut seiner Sicherheitsbeamten und stürmte auf die Menge hinter dem Absperrgitter zu. Dort ging der Kanzler mit Fäusten über das Gitter hinweg auf die Angreifer los, bevor er dann doch von seinen Bewachern aus dem Ring gezerrt werden konnte.

Auf einer anschließenden Pressekonferenz sprach Kohl von „vagabundierenden Demonstranten mit einem terroristischen Einschlag“, die mit den Bürgern von Halle nichts zu tun hätten. Die Sicherheitsvorkehrungen für seinen Besuch qualifizierte Kohl als miserabel. Zudem beklagte er die negative Wirkung solcher Vorkommnisse für das Investitionsklima in den neuen Ländern.

Inzwischen hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Gerd Gies (CDU), dem Kanzler wegen des unzureichenden Polizeieinsatzes in Halle eine schnelle Untersuchung zugesagt. Kohl habe auf eine Untersuchung bestanden. Der Kanzler werde an seinem Besuchsprogramm in den neuen Ländern festhalten.