„Machtfrage im Rathaus geklärt“

■ Überzogene Reaktion der Polizei bei Rathaus-Besetzung 1989 vor Gericht

„Von Gewalttätigkeiten der BesetzerInnen gegen Polizeibeamte wurde nicht gesprochen, als ich in die obere Rathaushalle kam“, sagte der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas gestern im Prozess um die Rathaus- Besetzung vom April 1989, mit der die BesetzerInnen damals die hungerstreikenden RAF-Gefangenen unterstützen wollten. Weil Martin Thomas sich während der Besetzung als Vermittler zwischen Staatsmacht und DemonstrantInnen betätigt hatte, war er als Zeuge vorgeladen.

Nachdem ihm die Polizei den Zugang zur besetzten oberen Rathaushalle gestattet hatte, habe er dort eine „gespenstische“ Situation vorgefunden, berichtete Thomas im Zeugenstand. Vier bis fünf BesetzerInnen, von den Polizisten mit Handschellen gefesselt, „lagen mehr auf dem Boden als daß sie knieten.“ Die Polizisten hätten den Gefesselten verboten, miteinander zu sprechen und hätten deren Gesichter auf die Erde gedrückt. Martin Thomas: „Erst als ich dazukam, durften sie sich hinknien.“

Der grüne Bürgerschaftsabgeordnete wertete vor Gericht den Polizeieinsatz als „überzogen“. Den Besetzern sei es nur um eine symbolische Aktion gegangen. „Das Sondereinsatz-Kommando der Polizei hatte hat die Machtfrage für sich geklärt“.

Weiter schilderte Thomas, daß der während des Polizeieinsatzes im Rathaus erschienene Innensenator Peter Sakuth sich zunächst kompromißbereit gezeigt habe. Später hatte die Polizei zur Rechtfertigung ihres Einsatzes von schweren Gewalttätigkeiten berichtet.

Auch gestern wurde im Gerichtssaal viel darüber gesprochen, ob die eingesetzten Polizisten ihre Uniformen trugen. Martin Thomas konnte sich nicht daran erinnern, uniformierte Ordnungshüter gesehen zu haben. Auch Armbinden mit der Aufschrift „Polizei“ habe er nicht bemerkt. Juristischer Hintergrund dieser Frage: Wenn die eingesetzten Polizisten nicht als solche zu erkennen waren, ist es für das Gericht heikel, Jakob N. wegen Widerstandes zu verurteilen. och