: Gewerkschaft wirft Heiner Müller Inkompetenz vor
Als Ausdruck »unvergleichlicher intellektueller Arroganz bar jeden sozialen Gespürs« hat die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft am Montag in Hamburg die Forderung des Berliner Dramatikers und Akademiepräsidenten Heiner Müller bezeichnet, Theater in Ostdeutschland zu schließen, da sie kein künstlerisches Niveau hätten. Eine solche Forderung lasse auf ein gehöriges Maß an Inkompetenz schließen, da solch globale Theaterschelte die Bedingungen vergesse, unter denen in vier Jahrzehnten der Diktatur mit ihrem Einschränken der künstlerischen Freiheiten Theater und andere künstlerische Produktionen stattfinden konnten. Die Äußerungen Müllers dienten nur dazu, die soziale Unsicherheit der Künstler im Beitrittsgebiet zu vergrößern und die Erhaltung der kulturellen Tradition in Ostdeutschland zu gefährden.
Müllers in der vorigen Woche unterbreiteter Vorschlag basiert auf der Einsicht, daß die DDR-Theater mit dem Zusammenbruch des sie beherbergenden politischen Systems ihre historische Mission erfüllt hätten. Der weitblickende Dramatiker schlußfolgerte daher gut-marxistisch, daß den Häusern und ihren Betreibern nun nur noch die Selbstauflösung bleibt. Der 'Spiegel‘-Autor Mathias Matussek ging am Sonntag noch einen Schritt weiter. In einer bekannten Talk-im-Turm- Runde forderte der Mann als einheitsfördernde Solidaritätsmaßnahme auch die Schließung aller West-Theaterhäuser. Matusseks Kritik blieb jedoch jeden marxistischen Ansatz schuldig und ging über die üblichen kleinbürgerlichen Kosten-, Niveau-, usw.- Einwürfe nicht hinaus.
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