Alles eine Frage der Identität

■ Ein Abend mit der „Perspektive Berlin“ über die Zukunft der Kunsthochschule Weißensee

In dem anständigen Bemühen der Perspektive Berlin e.V., den Überlebenskampf der Kunsthochschule Weißensee (KHB) mit der Waffe Öffentlichkeit zu unterstützen, versuchte die linksliberale Initiative am Sonntag auf einer Diskussionsveranstaltung, die »Argumente für den Erhalt der Hochschule« zusammenzutragen. Die KHB-Sympathisanten waren nahezu unter sich. Und so war sich folglich auch das Podium darin einig, daß die Ostberliner Ausbildungsstätte eine Zukunft verdient habe. Woran auch die Moderatorin Lea Rosh nicht rütteln wollte.

Neben allen metropolitanen Hauptstadtgründen und dem Argument des hier beheimateten einzigartigen Ausbildungskonzepts, die an diesem Abend vorgetragen wurden, brachte ein Student der Hochschule für alle, die das nicht verstehen wollten oder konnten, die einfache Erklärung: Es handle sich um eine Identitätsfrage. Das sei nun mal eine Ost- Schule, und die steht in Weißensee und nicht in Tiergarten oder sonstwo. Nur hier gäbe es die Chance und die Potenz, die Kunst weiterzuentwickeln, die hier entstanden ist. Es wäre bedauerlich, gerade jetzt, wo ein Neuanfang möglich wäre, diesen sofort abzuschneiden.

Auch Rainer Ernst vom Deutschen Werkbund glaubt, daß angesichts der Metropolenwünsche Berlins hier die einmalige Chance besteht »kulturelle Wurzeln aus Ost und West zusammmenzubringen«. Diese Quelle, die die Hochschule verkörpert, würde mit ihrer Auflösung verschwinden.

Das Abwicklungsroulette des Berliner Wissenschaftsenates hatte diesmal die Ostberliner Kunsthochschule in Weißensee getroffen. Da der Senat aber in diesem Fall die per Einigungsvertrag ermöglichte reine Form der Abwicklung verpaßt hatte, griff er zu einem neuen Liquidationsmittel, dem Aufhebungsverfahren. Dieses bescheinigt der Schule, nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus finanziellen Engpässen aus dem Haushaltsplan des Hauptstadt-Senats verschwinden zu müssen, um abgespeckt zum 30. September in der HdK aufgehen zu dürfen. Allerdings mit nur noch 70 von derzeit 127 MitarbeiterInnen. Bei den Ausschreibungen der neuen Stellen läßt man den KHB- MitarbeiterInnen den Vortritt. Das Finanzproblem jedoch kann nicht der wirkliche Grund sein, beschwor AL- Hochschulexpertin Hilde Schramm. Der tatsächlich eingesparte Betrag von ungefähr zwei Millionen sei lächerlich im Verhältnis zu anderen Ausgaben des Wissenschaftsressorts. Zusätzlich würden an der HdK, die Studenten und Personal aufnimmt, erneut höhere Kosten entstehen. Hilde Schramm meint etwas lakonisch, man würde damit vor allem das bedrückende Raumproblem der HdK lösen.

Entgegen den allgemeinen Tendenzen in der Hochschulpolitik, Vielfalt und Wettbewerb zu fördern, würde hier dieser unsinnige Weg gegangen, meint Schramm. Vorbei an jeglicher öffentlicher Diskussion, vorbei an den Fachvertretern der anderen Parteien im Parlament ging der Entwurf des Ergänzungsgesetzes zum Berliner Hochschulgesetz aus dem Hause Erhardt, der auch die Auflösung der KHB festschreibt, durch den Senat. Dabei ist bekannt, daß sich beide Hochschulen die Existenz der anderen wünschen, um produktive Reibung zu finden. Aber im Osten sei es derzeit viel einfacher zu verändern und zu kündigen, ohne die Betroffenen mitreden zu lassen, regt sich Irana Rusta, kulturpolitische Sprecherin der SPD auf. »Plattmachungspolitik des Ostens« nennt sie das. Der HdK- Student auf dem Podium, weniger durch Ostlerloyalität beeinflußt, weiß: Hier geht es um konservative Hochschulpolitik. Die SPD-Politikerin Rusta jedenfalls versprach, da sei sie sich mit ihrer Fraktion einig, Erhardts Entwurf abzulehnen. Dabei würde es ihre Fraktion auch auf einen Koalitionsstreit mit der CDU ankommen lassen, wozu sie von allen Seiten heftig ermuntert wurde.

Aber Lea Rosh wollte diese Diskussion nicht geführt haben, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, und provozierte am Ende ein kurzes Brainstorming für aufsehenerregende Protestkundgebungen der KunststudentInnen. Letztere jedoch ließen sich auch nicht vom N3-Fernsehgewissen aus ihrer Lethargie reißen, denn schließlich müsse man ja auch studieren. anbau