Feiern für die Armen

■ Benefizkonzert für die Kurden mit heuchlerischem Betroffenheitsanspruch

Feiern für die Armen Benefizkonzert für die Kurden mit heuchlerischem Betroffenheitsanspruch

Die Stars riefen, und alle kamen. Sogar Lady Di und Premierminister Major gehörten zu den Gästen im Londoner Wembley-Stadion. Und traut man den Bildern, so muß die Stimmung stetig gestiegen sein. Denn Tom Johns brünstiger Hüftschwung diente diesmal dem guten Zweck. Ebenso wie der Mutter-Theresa-Auftritt der kahlköpfigen Rockpoetin Sinead O‘Conner und Stings Jimmy-Hendrix-Nummer. Wie schon so oft in der Rockgeschichte sind Naturkatastrophen, Hungersnöte und Kriegsopfer — menschliches Leid in TV- wirksamer Größenordnung also — willkommener Anlaß für ein Betroffenheitsfestival. Diesmal war es das Leid der Kurden, das geschäftstüchtige Popmanager benefiztechnisch bewältigten. Nichts gegen solche Großereignisse. Wenn saturierte Wohlstandsmenschen auf diesem Wege zur monitären Anteilnahme animiert werden und am Ende eine ordentliche Summe für Soforthilfe zusammenkommt, sollen sich die Konzertbesucher ruhig amüsieren. Doch den Veranstaltern ist mittlerweile eine pure Unterhaltungsshow zugunsten hungernder Kinder offensichtlich zu profan, weshalb dem Publikum die Ernsthaftigkeit ihres Vergnügens per Elendsvideo in den Umbaupausen vor Augen geführt werden muß. Nach Tom Johns Kiss also schnell ein paar Bilder vom Kurdensterben, tote Säuglinge im Massengrab, weinende Mütter und Väter, die sich verzweifelt um die Lebensmittelpakete prügeln. Soft abgemischt mit schmusiger Musik wird menschliches Elend zur magenfreundlichen Videosoße. In slow motion harmonieren die emporgereckten Arme der nach Brot bettelnden Menschen bestens mit dem angeturnt klatschenden Publikum. Wer solche Bilderreigen produziert, der hat nichts kapiert vom Zusammenhang zwischen bewußtlosem Wohlstandsdasein hier und dem schreienden Elend dort. Ein hemmungslos schluchzender Tom Johns, dem aus lauter Betroffenheit die Stimme bricht, wäre wohl zuviel verlangt. Ein vorsichtiges Kopfschütteln des Moderators oder ein Experte, der angesichts der champagnersüffelnden Withney Huston einfach schweigt, anstatt weiter über skrupellose Waffenexporteure zu dozieren, wäre zumindest ein kleines Zeichen gewesen. So aber blieb die Katastrophenshow das, was ihr Titel versprach: The simple truth — Wir feieren für die Armen. Ute Thon