Simbabwe: Land in Sicht

Elf Jahre nach der Unabhängigkeit geht der afrikanische Staat an die längst überfällige Agrarreform  ■ Aus Harare Willi Germund

Wenn Ephraim Nyakujara seinen Blick über die sandigen Maisfelder von Chiendambuya schweifen läßt, hat der 76jährige sehr oft seine alte Heimat vor Augen: das 60 Kilometer entfernte Umfusire, ein ehemaliges Dorf an der Landstraße zwischen Simbabwes Hauptstadt Harare und Mutare. „Dort ist alles gewachsen, sogar Reis. Aber hier haben wir manchmal immer noch Mißernten.“ 1945 wurde er mit seiner Familie von den britischen Kolonialbehörden des damaligen Rhodesien vertrieben, ohne finanziellen Schadenersatz. Heute gehört das fruchtbare Land von Umfusire einem weißen Bauern, einem jener 4.500 weißen Großgrundbesitzer, die empört aufschrien, als Simbabwes Regierung zur Jahreswende die Verfassung änderte. Sie erlaubt jetzt, daß Robert Mugabes Regierung zu von ihr selbst festgesetzten Preisen Land beschlagnahmen kann. Noch fehlen die genauen Ausführungsbestimmungen, aber erstmals ist nun eine Art Agrarreform möglich.

Elf Jahre nach der Unabhängigkeit vermittelt Präsident Mugabe den Eindruck, daß er jetzt ein altes Versprechen einlösen will. Denn nicht zuletzt an der Landfrage hatte sich der Befreiungskrieg gegen die weißen Kolonisatoren entzündet. Doch änderte sich bisher wenig. 4.000 überwiegend weiße Großbauern besitzen durchschnittlich je 1.500 Hektar große Besitztümer — etwa die Hälfte des bebauten Ackerbodens in Simbabwe. Rund 800.000 überwiegend schwarze Kleinbauernfamilien müssen sich mit je maximal vier bis fünf Hektar zufriedengeben. Zehn Jahre lang konnte die Regierung nur wenig unternehmen, da sie durch den sogenannten „Lancaster House“- Vertrag gebunden war: eine Besitzgarantie an die Großbauern, nach der Land nur auf freiwilliger Basis gegen Bezahlung den Besitzer wechseln konnte. „Das Land, von dem wir vertrieben wurden, gehört uns“, sagt Ephraim Nyakujara. „Viele Leute hatten die Hoffnung aufgegeben, daß die Regierung etwas für uns tun würde.“ Eine Hypothek, die Präsident Mugabe um so schwerer zu schaffen macht, als sein Land in schwierige wirtschaftliche Zeiten schlittert. Jährlich werden 300.000 Jugendliche aus den Schulen entlassen, von denen nur 10.000 Arbeit finden.

Das sogenannte „communal land“ — staatliches Land, auf dem die schwarzen Kleinbauern leben — ist nicht nur zunehmend ausgelaugt; wegen der Übernutzung nimmt die Erosion zu, und das Land liegt ohnehin in den Gebieten mit den geringsten Niederschlägen. So sorgte Dürre in einem Teil der Provinz Masvingo laut einem Bericht der deutschen GTZ für einen totalen Ausfall der Maisernte. Betroffen: 450.000 Menschen. In anderen Gebieten der gleichen Provinz bleibt die Maisernte um 70 Prozent, die von Kleinkörnerfrüchten um 60 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Davon sind weitere 350.000 Menschen betroffen.

Die internationale Entwicklungshilfe schlug bisher um die politisch hochbrisante Landbesitzfrage einen großen Bogen. Statt dessen wurde ungenutzter Urwald, etwa im Sambesi-Tal, mittels der EG-finanzierten Ausrottung der Tsetsefliege für landschaftszerstörende Viehwirtschaft geöffnet. In anderen Gebieten sollen Bewässerung und veränderte Produktionsformen die Bodenfrage entschärfen.

Auch Deutschlands Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger (CSU) zeigte bei seinem Besuch wenig Begeisterung für eine Landreform. Experten hatten ihm von bisherigen Erfahrungen berichtet. Simbabwes Regierung hatte bei ihrem Amtsantritt 1980 verkündet, sie wolle 162.000 Familien Land geben. Das Versprechen wurde bisher nur bei etwas über 50.000 verwirklicht — nicht zuletzt, weil das Geld fehlte.

Allerdings ging das Experiment auch schief, weil der Boden vor allem an diejenigen verteilt wurde, die sich vorher im Befreiungskrieg, nicht aber in der Landwirtschaft bewährt hatten. Das soll sich jetzt ändern. Umgesiedelt werden sollen vor allem erfahrene Kleinbauern. Sie erhöhten während der letzten zehn Jahre die Produktion von Mais um dreißig Prozent, trotz des schlechten Ackerbodens, während die Produktion der weißen Großbauern stagnierte.

Das Ziel, jährlich 15.000 Familien auf neuem Land anzusiedeln, ist im Landwirtschaftsministerium intern der Zahl 5.000 gewichen. Freilich, auch dafür ist ausländische Hilfe nötig. Doch bei Strukturanpassungen, die Besitzverhältnisse verändern, zögert nicht nur die deutsche Regierung.