Frischei-Attentat folgt Politbeben

■ Während Popularität der CDU im Osten absackt, diskutieren Bonner Politiker über den politischen Inhalt treffsicher geworfener Eier/ Doch der Kanzler bleibt cool und verzichtet auf Strafanzeige

Bonn (dpa/taz) — Je stärker Helmut Kohl in den Meinungsumfragen abtrudelt, desto deutlicher wird das politische Nachbeben, das dem Hallenser Frischei-Attentat vom vergangenen Freitag folgt. Hatte der Kanzler den Eierschützen am Freitag noch zugerufen, „das sind nicht die Bürger von Halle“, so weiß er seit der gestern im 'Spiegel‘ veröffentlichten Emnid-Umfrage immerhin, daß er in Ostdeutschland ein Drittel seiner Wählerschaft verloren hat. Der SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe, immer wieder als möglicher Nachfolger Richard von Weizsäckers im Gespräch, hat den Kanzler im Parforceritt um die „neue Glaubwürdigkeit“, und die sogenannte „Problemlösungskompetenz“ überholt und rangiert auf der Popularitätsskala weit vorne.

Zur Erinnerung: Jene zwölf noch nicht einmal faulen Eier, die Helmut Kohl am Kopf, im Nacken und auf dem Anzug trafen, hatten sich aus einer Gruppe Jugendlicher gelöst, die sich um eine Juso-Fahne geschart hatten. Die Provokation zeigte auf sympathische Weise, daß der Bundeskanzler eben kein Polit-Zombie ist, sondern — unerwartet sportlich — normal aggressiv und verteidigungsbereit reagieren kann. Im übrigen läßt er sich, soviel steht nun fest, durch ein paar Eier nicht aus dem Geleis werfen. Angesichts dieser Lappalie sprach der CSU-Generalsekretär Erwin Huber, der letzte Woche noch unentwegt gegen den CDU- Kanzler agitierte, in bestem Honecker-Deutsch von „eindeutigem Polit-Rowdytum“, von „Krawallen“. Huber verlangte von der SPD eine umgehende Distanzierung. Der CDU-Generalsekretär Volker Rühe dröhnte: In Halle seien Sozialdemokraten „zumindest Seite an Seite mit Gewalttätern“ vorgegangen. Jedes Verständnis für die Hallenser Demonstranten sei „skandalös und schlimm“. Der CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Friedrich Bohl sekundierte und verlangte eine „sofortige Entschuldigung des SPD- Vorsitzenden Vogel“ und wollte gar die Fortsetzung der SPD/CDU- Gespräche über die Krise in Ostdeutschland aussetzen. Diese Forderung nahm die CDU allerdings ebenso schnell zurück, wie sie sie gestellt hatte.

Am gestrigen Mittag meldete sich dann der angebliche Eierwerfer selbst zu Wort. Der stellvertretende Juso-Vorsitzende von Halle, Matthias Schipke, bestritt eine Beteiligung seiner Organisation an den Eierwürfen auf den Bundeskanzler. Die Jungsozialisten hätten Helmut Kohl während seines Besuchs am Freitag in Halle nicht mit Eiern, Farbbeuteln und Tomaten beworfen. „Ich würde mich für jeden von uns verbürgen“, sagte der Jura-Student. „Dies ist für mich keine Form der politischen Auseinandersetzung.“

Er habe auch niemals gesagt, der Kanzler könne froh sein, daß keine Ziegelsteine geflogen seien. Dies sei in Presseberichten falsch dargestellt worden. Er habe vielmehr die Auffassung vertreten, daß Kohl nicht hätte auf die Demonstranten zugehen sollen. Immerhin wäre es möglich gewesen, so Schipke, daß „die bewaffnet waren oder statt Eiern Steine geworfen hätten“. Ganz anders der designierte SPD-Vorsitzende Engholm, der für Kohls direkte Antwort Verständnis bewies: „Wenn ich einen Eierwerfer richtig erwischen würde, würde ich ihm kräftig eine langen.“ Das Ende des Bonner Eiertheaters dürfte gestern von dem eigentlichen Opfer, nämlich von Helmut Kohl, selbst herbeigeführt worden sein: Er verzichtete auf eine Strafanzeige gegen unbekannt und ging zur Tagesordnung über. G.A.