Der Mann war zu ernst

■ Eine Arthur-Fauser-Ausstellung zum 80. Geburtstag

Seine Malerei ist ernst, grotesk, schwermütig. Lichtblicke — leuchtende Landschaften etwa — werden im Laufe der Zeit immer seltener. Er gehörte zur alten Schule derjenigen, die ihr Handwerk, die traditionellen Techniken Öl, Aquarell, Zeichnung, Druckgraphik virtuos beherrschten. Fast zwangsläufig blieb er Zeit seines Lebens eine Randfigur des Kunstbetriebs, der Maler Arthur Fauser. Zu Unrecht.

Nirgendwo hat er sich angepaßt, niemals einem Trendwechsel angeschlossen. Kompromißlos blieb er durch die Jahrzehnte hindurch der gegenständlichen Malerei verpflichtet. Er war Autodidakt, seine Eltern verbrannten seine ersten Bilder. 1933 erhielt der 22jährige Ausstellungsverbot, was einem Berufsverbot gleichkam. 1934 ging er nach Zürich und arbeitete dort in antifaschistischen Organisationen. Doch nach wenigen Monaten schob man ihn bereits wieder ins nationalsozialistische Deutschland ab. Er versuchte dann, in Italien unterzutauchen. Als obdachlosen Landstreicher faßte man ihn halbverhungert auf und lieferte ihn via Basel erneut an Deutschland aus. In Reutlingen scheiterte der Versuch, mit Grieshaber und Fromann zusammenzuarbeiten. Fauser ging 1937 nach Berlin. Ein kleiner Posten bei der „Reichsstelle für Getreide und Futtermittel“ hielt ihn über Wasser, während er Gedichte und Theaterstücke schrieb und das 1938 verbotene Kabarett „Zur Dachluke“ mitbegründete. Von 1940 bis 1945 war er Soldat. Diese Zeit hat ihn geprägt, die Erinnerungen an die Grauen des Krieges haben ihn nie wieder losgelassen.

Fausers Werke aus der Vorkriegszeit wurden — mit einer einzigen Ausnahme — zerstört oder blieben verschollen. Fauser begann 1946 von vorn — in Frankfurt. Obwohl sein expressiver Realismus dem damaligen Zeitgeist wenig entgegenkam, wurde er gerade in dieser Phase mit mehreren Preisen geehrt. Unter anderem erhielt er 1958 das Rom-Stipendium der Villa Massimo. Damals entstanden heitere mediterrane Landschaften in strahlenden Farben, gegliedert in einem streng tektonischen Aufbau. Vorbilder waren Cézanne und die französischen Kubisten.

Um 1960 löste sich Fauser vom Kubismus, seine Malerei wurde freier, expressiver, aber auch düsterer. Eisern hielt er am Gegenständlichen fest, während die Zeitgenossen dem Action Painting oder dem Informel anhingen. Es wurde still um ihn. Seine Frau, die Schauspielerin Maria Fauser, sorgte als Rundfunksprecherin für ein regelmäßiges Einkommen. Sein Sohn, Jörg Fauser, überflügelte schließlich den Vater mit seinem Erfolg als Schriftsteller (Der Schneemann). Als Arthur Fauser 1990 starb, hinterließ er ein riesiges Erbe: an die 600 Ölbilder, Hunderte von Aquarellen, Zeichnungen und Radierungen. Der größere Teil davon ist im Besitz seiner Frau.

Er war Maler „wider den Strich“. Sein Sohn, der 1987 starb, schrieb über ihn: „Einfachste Gleichungen werden schwer akzeptiert. Älteste Wahrheiten verderben den Schlaf...“ Denn nicht nur Fausers gegenständlicher Stil lag quer zum Trend. Schlimmer noch: Der Mann war zu ernst, kaum einer wollte an das erinnert werden, was in Fausers Bildwelt ständig wiederkehrte, an die Schattenseiten des Seins, an Angst, Krankheit, Krieg, Tod. Als die gegenständliche Malerei mit der Pop-Art, dem Neo-Realismus und spätestens mit den „jungen Wilden“ rehabilitiert war, paßte deshalb Fauser immer noch nicht in den Kunstbetrieb.

Seine Erinnerungen und Obsessionen bannte er als Traumbilder, oft auch als mythologische Szenen auf die Leinwand. Nächtliche Begegnung (1981) läßt zwei Gestalten im Dunkel aufeinandertreffen, kriechend, die eine ein bärtiger Zyklop, die andere ein angstverzerrter, jämmerlicher Jüngling. Die Kompositionen sind großformatig und in scharfem Hell-Dunkel angelegt, meist überwiegt die Dunkelheit. Drei Weiber am Meer (1969) konfrontiert den Betrachter mit kauernden schwarzen Gestalten, die ihn wie riesige versteinerte Vögel fixieren. Dieses Thema griff Fauser 1988 in einem seiner letzten großen Ölbilder, Drei alte Männer, noch einmal auf. Wie Tote hängen die Insassen eines Altersheims in giftgrüner Anstaltskleidung auf ihren Stühlen. Der Kopf des einen ist auf den Tisch gesunken, der Kopf des anderen baumelt vornüber, der dritte stützt ihn in seine Hände — erloschene Wesen, die nicht mehr in diese Welt gehören.

Je älter Fauser wurde, um so quälender und konkreter standen ihm seine Kriegserinnerungen vor Augen: „Die Vergangenheit ist offenbar nicht vergangen, nicht, solange ich noch lebe, die Zukunft erscheint mir als Erinnerung, alles wird zur dauernden Gegenwart: im Bild.“ Präzise evozierte er bestimmte Ereignisse — die Leiche eines Horchpostens, eine Minensperre im finnischen Wald, eine schreiende Frau mit Kind.

Krankheiten hinderten ihn im letzten Jahrzehnt seines Lebens häufig daran, vor der Staffelei zu stehen. Fauser malte daher viele seiner Kriegserlebnisse in Aquarell. Während einer Krankheit schrieb er ein Theaterstück.

Fausers Malerei ist nicht immer da am besten, wo sie das Grauen konkret beschwört. Die Wucht seines machmal kruden Realismus und seine Steigerung der Verzweiflung ins Pathos überwältigen den Betrachter, ohne daß der Schrecken ihn wirklich packt. Überzeugend sind Arbeiten, die nicht so laut daherkommen.

Seine letzten Landschaften und Gebirgsbilder zum Beispiel, an die der späte Kirchner lange nicht heranreicht: Felsmassive türmen sich über schwärzlichen Wasserflächen, Steinbrocken und Geröll schieben sich in bewegten, aber tektonisch „gebauten“ Stukturen in- und übereinander, während ein dunkler Schein schlaglichtartig eine Brücke, einen Hang, eine Felsnadel aufleuchten läßt. Oder ein Bild von 1974: Da liegt nichts als eine leere Papiertüte auf einem Tisch, ihr gähnender Schlund übt einen eigenartigen Sog auf den Betrachter aus, fast scheint es so, als könnte die Tüte ihn verschlingen. Die leise Beunruhigung, die einen vor solcher Bodenlosigkeit erfaßt, wirkt nachhaltiger als manch eine der dramatischen Szenen dieses engagierten Malers. Ein großer Mann, den die Kunstgeschichte noch zu entdecken hat.

Martina Kirfel

Ausstellung zum achtzigsten Geburtstag Arthur Fausers in der Galerie „Bernauer Berg“,

Frankfurt/Main, Wielandstr. 18,

vom 26. bis 29. Mai.