Rücktritt von der Macht am Main?

■ Kaum jemals hatte Bundesbankpräsident Pöhl so wenig Grund zum Amtsverzicht

Rücktritt von der Macht am Main? Kaum jemals hatte Bundesbankpräsident Pöhl so wenig Grund zum Amtsverzicht

Wieder einmal kursieren in Frankfurter Finanzkreisen Gerüchte über einen bevorstehenden Rücktritt von Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl. Der 61jährige, der 1987 für weitere acht Jahre im Amt bestätigt worden ist, habe nun endgültig keine Lust mehr, die Fehler der Bonner Politik währungstechnisch auszubügeln. Der Sozialdemokrat, der seine eiserne Stabilitätspolitik auch gegen den früheren SPD-Kanzler Helmut Schmidt durchsetzte und sich damals gegen staatliche Investitionsprogramme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wandte, soll wegen angeblicher kleinerer Unstimmigkeiten in Detailfragen gegenüber der Bundesregierung die Macht am Main aufgeben wollen?

Zurückgetreten ist Pöhl schließlich auch nicht wegen der deutsch-deutschen Währungsunion. Über das Thema rettete er sich durch den argumentativen Spagat, er müsse zwar aus ökonomischen Gründen dagegen sein, aus politischen jedoch wolle er die Währungseinheit Deutschlands nicht behindern. Als dann im März dieses Jahres der wirtschaftliche Zusammenbruch in den neuen Bundesländern offensichtlich wurde, schob Pöhl den Schwarzen Peter nochmals energisch Richtung Kanzler Kohl: Das „Desaster“ sei von vornherein absehbar gewesen. Zehn Monate zuvor hatte sich der oberste deutsche Währungshüter, der schließlich bei der Umsetzung der politischen Entscheidung kräftig mitgemischt hatte, öffentlich „sehr zufrieden“ mit dem später als falsch gebrandmarkten Wechselkurs gezeigt.

Gerade jetzt also soll dieser Mann, der lässige Auftritte auf internationalem Parkett über die Maßen liebt, die Nase voll vom Amt haben? Schließlich könnte er sich im Gegenteil sogar freuen, daß am Wochenende auf einem informellen Treffen der europäischen Finanzminister die Franzosen signalisierten, daß es ihnen mit der Europäischen Zentralbank (EBZ) nicht gar so eilig sei. Pöhl hatte immer vor einer überhasteten europäischen Währungsunion gewarnt und gefordert, daß zuvor Länder wie Italien, Portugal und Griechenland ihre Währung stabilisieren müßten.

Bleibt also nur die Vermutung, daß Pöhl durch Rücktrittsdrohungen Druck ausüben will. Brüskiert wurde der 61jährige nämlich auch in der noch nicht endgültig entschiedenen Frage der Landeszentralbank-Strukturen. Der Bundesrat hatte im April dafür votiert, daß auch die neuen Bundesländer je eine neue Landeszentralbank bekommen. Pöhl müßte sich dann im Zentralbankrat mit 16 Landesbankpräsidenten auseinandersetzen, die Macht des siebenköpfigen Bundesbank-Direktoriums wäre im Zentralbankrat beschnitten.

Rücktrittsgründe also hat es bisher viele gegeben, aktuell wäre höchstens der letzte. Vielleicht fehlt es Pöhl derzeit schlicht an ernst zu nehmenden Gegnern, gegen die er den geliebten Sessel verteidigen müßte. Donata Riedel