Bielefeld bestraft Steuerboykott durch Geldentzug

Beschäftigungsinitiative zum Steuer-Gehorsam gezwungen/ In den meisten Städten bröckelt Kriegssteuerboykott der Alternativbetriebe ab/ RemscheiderInnen klagen vorm Bundesverfassungsgericht/ Aktionstag zur Steuererhöhung am 1. Juli  ■ Von Bettina Markmeyer

Bielefeld (taz) — Aufmerksamkeit von ganz unerwarteter Seite erhielt eine Bielefelder Beschäftigungsinitiative für ihren Entschluß, sich am Kriegssteuerboykott zu beteiligen. Ein CDU-Ratsherr in der konservativ regierten Stadt am Teutoburger Wald hatte nach morgendlicher Zeitungslektüre im Finanzausschuß geltend gemacht, daß Steuergelder nicht bekommen könne, wer Steuern boykottiere. Die CDU stellte also die jährliche, städtische Förderung der Beschäftigungsinitiative „profil“ zur Disposition und verlangte vom Geschäftsführer des Vereins einen Kniefall. Da man ohne die städtischen 60.000 Mark nicht auskomme, entschied „profil“ im Sinne von 15 Ex-Arbeitslosen, sich vom Kriegssteuerboykott zurückzuziehen. Fast zwanzig Bielefelder Alternativbetriebe jedoch machen weiter.

Kommunale Eingriffe in die Auseinandersetzung der SteuerboykotteurInnen mit den Finanzbehörden hatte es bisher nicht gegeben. Die Möglichkeit dazu besteht auch nur politisch — denn faktisch und rechtlich sind Kommunal- und Finanzbehörden völlig voneinander getrennt.

Etwa vierzig Hannoveraner Alternativbetriebe, die bereits im Februar mit ihrem Steuerboykott Furore machten, konnten sich dagegen nicht über mangelnde politische Unterstützung beklagen. Selbst der niedersächsische Finanzminister Hinrich Swieter (SPD) bekundete seine Sympathie. Seine Behörden aber handelten dennoch flott: Schon nach sechs Wochen erschienen Vollstreckungsbeamte in den Betrieben, um die Steuerschulden einzutreiben.

Bald darauf war bei den BoykotteurInnen „der Zusammenhalt weg“, wie Carola Moss, eine der InitiatorInnen, bedauert. Nur einzelne führen die Auseinandersetzung mit dem Finanzamt nach dem Vorbild der zähen Militärsteuer-BoykotteurInnen um den Solinger Reinhard Egel weiter. Der jahrelange Kriegssteuer-Verweigerer Egel registriert, „daß die Anfragen nachgelassen haben“. „Für uns enttäuschend“, meint er, wenn auch nicht überraschend.

Wurden Egel und seine Leute während des Golfkrieges von boykottwilligen KriegsgegnerInnen geradezu erdrückt, müssen sich die langjährigen SteuerboykotteurInnen jetzt wieder, wie vor dem Krieg, selbst in Erinnerung bringen. Zum 1. Juli, dem Datum der Steuererhöhung, sind Aktionen vor den Finanzämtern in möglichst vielen Städten der Republik geplant.

Wenigstens bis dahin wollen die Betriebe in Bielefeld, Wuppertal und Dortmund ihren Boykott aufrechterhalten. In Wuppertal, einem der Ausgangspunkte des Boykotts, zahlen etwa zwanzig Firmen ihre gesamten Steuern auf Sperrkonten. Es zeichnet sich jedoch ab, daß die gemeinsame Linie aufgegeben wird, sobald die Finanzämter mit Pfändung drohen. Die Betriebe müssen dann zahlen, und meistens beenden sie anschließend den Boykott.

In Bochum haben sechzehn Projekte zwei Monate lang insgesamt 40.000 DM Steuern einbehalten. Die Pfänder stehen vor der Tür, nach dem Willen der BochumerInnen soll das Geld jedoch „für friedliche und gemeinnützige Zwecke“ an medico international.

Einen anderen Weg als die meisten BoykotteurInnen ging die „Kraftstation“ Remscheid, die sich zu einem Motor des Boykotts gemacht hatte. Während die meisten soziokulturellen Zentren in Nordrhein-Westfalen sich erst später der Boykott-Bewegung angeschlossen haben, beendeten die RemscheiderInnen den Boykott mit dem Tag des Waffenstillstands, erklärt Jürgen Sohr von der „Kraftstation“. Das Geld blieb jedoch weiter auf einem Sperrkonto, und die Remscheider AktivistInnen wandten sich an den Petitionsausschuß des Bundestages. Der sollte klären, ob BundesbürgerInnen nach Artikel 4 des Grundgesetzes — analog zur Kriegsdienstverweigerung — aus Gewissensgründen die Finanzierung eines Krieges verweigern können.

Nach einem abschlägigen Bescheid des Petitionsausschusses wollen die RemscheiderInnen jetzt vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Im Gegensatz zu früheren KlägerInnen, die allesamt scheiterten, wollen sie nicht die Möglichkeit für die SteuerzahlerInnen einklagen, Militärsteuern insgesamt zu verweigern. Vielmehr fordern sie ihr Recht ein, aus Gewissensgründen die Finanzierung eines aktuellen Krieges ablehnen zu können.

Enttäuschend verliefen für die ökumenische Aktion „Steuern zu Pflugscharen“ ihre Versuche, die rheinische Landeskirche für den Boykott zu gewinnen. Als Körperschaft, argumentierte die Kirchenleitung, könne sich die Kirche nicht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit berufen; dies könne „nur jeder einzelne“.

Trotz einer Schutzzusage für Militärsteuer-Verweigerer durch den Präses der evangelischen Landeskirche im Rheinland, Peter Beier, verhält sich die Kirche als Arbeitgeberin damit völlig staatskonform. Die „ökumenische“ Initiative setzt nun darauf, einzelne Gemeinden in ihrer Funktion als Arbeitgeberinnen für ihre Sache zu gewinnen. Immerhin werde Militärsteuer-Verweigerung unter den Klerikalen zunehmend, genau wie die Gewissensentscheidung von Kriegsdienstverweigerern, „als christliches Zeugnis ernstgenommen: die Kirche befindet sich auf einem Weg des Lernens“.