INTERVIEW
: »Es ist vernünftig, eine Konsenslösung anzustreben«

■ Interview mit dem Senator für Bundesangelegenheiten Peter Radunski zur Aufteilung von Hauptstadtfunktionen

Am Rande der Bundestagssitzung am Dienstag in Berlin überraschte eine sechsköpfige Arbeitsgruppe der CDU/CSU-Fraktion mit einem Vorschlag zur Aufteilung von Hauptstadtfunktionen. Die Regierung solle danach in Bonn bleiben, Bundestag und Bundesrat an die Spree ziehen. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Alfred Dregger favorisiert eine solche »Konsenslösung«. Die SPD- Fraktion winkte sofort ab, dennoch will die Union die Möglichkeit weiter verfolgen.

taz: Herr Radunski, könnte der Berliner Senat mit einem solchen Vorschlag leben?

Peter Radunski: Der Dregger-Vorschlag, so wie er jetzt durch die Presse geht, ist doch noch gar kein richtiger Vorschlag, sondern nur eine Tendenz — aber die ist vernünftig. Der Berliner Senat vertritt immer vier Essentials: Neben dem Bundespräsidenten — der ist ja sowieso in Berlin — der Bundestag, zweitens der Bundesrat, drittens der Bundeskanzler, viertens Auswärtiges Amt mit den Botschaften.

Und das wäre im Dregger-Vorschlag drin?

Dregger hat die Regierungstätigkeit nicht in bezug auf das Parlament untersucht. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Stuck, hat recht: Man muß auch das Verhältnis von Parlament und Regierung sehen. Natürlich muß jedes Ministerium ein Verbindungsbüro zum Parlament in Berlin haben.

Wird damit nicht ein Grundprinzip der parlamentarischen Demokratie verletzt, die Kontrolle der Regierung durch das Parlament?

Das Parlament kontrolliert doch nur die Spitzen des jeweiligen Hauses. Die einzelnen Beamten sind davon nicht betroffen. Ein solches Modell ist doch überhaupt nur denkbar, weil sich in unseren Ministerien so viel Nachgeordnetes eingeschlichen hat. Es gibt genügend Bereiche in jedem Ministerium, die genausogut woanders sein können.

Aber ist es nicht sehr kompliziert und teuer, die Funktionen zwischen zwei 700 Kilometer auseinanderliegenden Städten aufzuteilen?

Nun, der Transrapid wird über Hannover nach Bonn verlängert, die Flugverbindungen werden entsprechend verbessert sein. Es gibt moderne Technik mit Konferenzschaltungen, und mit diesen Hilfsmitteln halte ich das nicht für ausgeschlossen. Der Anfang müßte hier mit dem Entscheidenden gemacht werden, und das heißt ein funktionierendes Arbeitsumfeld für den Bundestag in Berlin zu schaffen. Da gibt es noch sehr viel auszusetzen.

Die SPD hat den Vorschlag Dreggers abgelehnt, ist er in der Union mehrheitsfähig?

Wie gesagt, das alles ist noch kein richtiger Vorschlag, sondern nur eine Tendenz, und es sind noch keine Einzelheiten besprochen. Natürlich ist das auch nicht eine Angelegenheit nur der CDU, das muß mit der SPD geklärt werden. Ganz chancenlos ist die aber nicht, denn sowohl in der Union als auch in der SPD macht sich etwas sehr Bedenkliches breit: Man argumentiert so, daß man mit einer Mehrheit von vielleicht nur fünf Stimmen keine Hauptstadtentscheidung tragen kann.

Die Abstimmung wird aber sehr knapp ausfallen...

Ja, deswegen ist es auch vernünftig, eine Konsenslösung anzustreben.

Gibt Berlin bei einer Konsenslösung nicht seinen Anspruch auf die »ganze Hauptstadt« auf?

Nein, denn wenn man genau hinguckt, dann findet die Teilung nicht zwischen Regierung und Parlament, sondern innerhalb der Verwaltung statt. Einer anderen Lösung könnte der Senat nicht zustimmen. Interview: Kordula Doerfler